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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Dein Vater würde nicht wollen, dass du den Rest deines Lebens<br />

in Trauer verbringst, und noch viel weniger, dass du stirbst», erklärte<br />

Hannes. Er saß auf der Truhe mit den Eisenbeschlägen, die<br />

am rechten Rand <strong>des</strong> Zeltesstand. Waser wohldarin aufbewahrte?<br />

Seine Kostüme? «Deshalb wirst du überleben, und <strong>des</strong>halb wird<br />

es dir eines Tages wieder besser gehen. Als mein Vater starb, habe<br />

ich auch nicht mehr leben wollen, bis ich das begriffen hatte. Wir<br />

müssen weiterleben, sonst wäre ihr Tod umsonst gewesen.»<br />

Sie schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht war nass vor Tränen. «Es ist<br />

so furchtbar», wimmerte sie. «So furchtbar.»<br />

«Glaub mir, Catarino, ich weiß, wie du dich fühlst», sagte Hannes.<br />

«In meiner Familie hates in den letzten zwei Generationen nichteinengegeben,<br />

der nicht eines gewaltsamen To<strong>des</strong>gestorben ist. Mein<br />

Vater … war aus Deutschland, aus dem Süden, aus einem kleinen<br />

Dorf bei Nördlingen, das ist eine Stadt in der Nähe von Augsburg.<br />

Der Hunger hat die süddeutschen Bauern in den zwanziger Jahren<br />

in die Rebellion getrieben. Mein Vater war noch ein Knabe, als er<br />

damals mit seinem Vater und seinen sechs älteren Brüdern in den<br />

Kampf gegen die Fürsten zog. Sie fühlten sich unschlagbar, dieses<br />

Bauernheer, sie zählten fast achttausend Mann, sie beherrschten<br />

das Land, raubten und plünderten nach Herzenslust, sie fühlten<br />

sich wie die Herren der Welt, und sie wurden Anfang Mai <strong>des</strong> Jahres<br />

1525 in einem halben Tag von einer siebenhundert Mann starken<br />

Truppe <strong>des</strong> Markgrafen von Ansbach bei einem Kaff namens<br />

Ostheim von der Bildfläche gefegt. Hunderte der Bauern starben<br />

im Kampf, Hunderte auf dem Schafott, Hunderte wurden geächtet<br />

oder vertrieben und dem Hungertod preisgegeben. Mein Großvater<br />

und seine Söhne schlugen sich mit anderen flüchtigen Bauern ins<br />

Hessische durch, wo sie sich dem oberschwäbischen Bauernhaufen<br />

anschlossen, der noch unbesiegt war. Anfang Juni wurde der oberschwäbische<br />

Haufen dann bei Königshofen ebenfalls geschlagen.<br />

<strong>Die</strong> Bauern flüchteten in einen Ort namens Giebelstadt, doch das<br />

Heer der Verfolger umstellte den Ort und brannte ihn nieder. Zwei<br />

meiner Onkel starben in den Flammen, zwei im Graben vor dem<br />

Tor, in den sie auf der Flucht vor dem Feuer gesprungen waren.<br />

<strong>Die</strong> Soldaten der Fürsten standen am Rand <strong>des</strong> Grabens und riefen<br />

zu den Eingeschlossenen hinunter, dass sie am Leben lassen<br />

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