04.11.2013 Aufrufe

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Tante Beatrix hob mit einem müden Lächeln die Schulter. «Der<br />

Tod deines Vaters, der Tod meiner Mutter, der Tod von Pierre und<br />

Hector… es kam eine Menge zusammen zu dieser Zeit.»<br />

«Und wie war Mutter – vorher?», fragte Catarino.<br />

«Sie war faszinierend.» Beatrix lächelte noch immer. «Sie war<br />

so lebendig, so lebensfroh. Wenn man sie sah, wie sie durch den<br />

Raum auf einen zutanzte, wie sie einen anstrahlte – man fühlte<br />

sich augenblicklich wie neugeboren. Wir waren alle bezaubert von<br />

ihr, und Cristou und Frederi waren nicht die einzigen Männer, die<br />

ihr zu Füßen lagen. Aber sie hatte nur Augen für euren Vater. Ich<br />

weiß nicht, was sie in ihm sah – wahrscheinlich genau das, was<br />

er selbst in sich sah, einen edlen jungen Ritter im Kampf gegen<br />

das Unrecht. Ihr Streben ging damals weit über ein oberflächliches<br />

Glück an der Seite eines wohlhabenden, einflussreichen u nd halbwegs<br />

gutaussehenden Gemahls hinaus. Sie wollte Liebe erfahren,<br />

nicht nur oberflächliche Zuneigung, sondern wirkliche Liebe, von<br />

einem Edelmann, der ihr zu Füßen lag wie einst die Troubadoure<br />

ihren hohen Damen. Cristou mit seinen hehren Grundsätzen vom<br />

Kampf gegen das Unrecht und für die Armen und Wehrlosen, der<br />

sie vergötterte, der sie anbetete, entsprach in jeder Hinsicht ihrem<br />

Traumbild von einem Mann. Ich denke manchmal, wenn alles anders<br />

gekommen wäre, wenn Cristou überlebt hätte, wäre Madaleno<br />

heute ein anderer Mensch. Aber Cristous Tod war für sie das Ende<br />

der Welt, in der sie gelebt hatte, das Ende ihrer Träume und ihres<br />

Glaubens an das Gute im Leben. Also flüchtete sie sich in Konventionen,<br />

in den billigen Trost ihres Stan<strong>des</strong>bewusstseins, den ihr<br />

Philomenus vorlebte. Philo sagte ihr, dass alles anders gekommen<br />

sei, wenn Cristou nicht so ein skandalöses Dasein gefristet hätte,<br />

und sie glaubte ihm. Das ist die Madaleno von heute – keine<br />

Risiken mehr, keinen Schritt aus der Reihe tanzen, so lange man<br />

keinen Anstoß bei der feinen Gesellschaft erregt, kann nichts<br />

schiefgehen.»<br />

«Wieso? Vaters Arbeit hatte doch nichts mit seinem Tod zu tun»,<br />

meinteCatarino verständnislos.<br />

Beatrix‘ Lächeln war starr. «Man kann das so oder so sehen, Catarino.<br />

Und was Philomenus betraf, so konnte er Cristou noch nie<br />

ausstehen. Er war von Anfang angegen seine Heirat mit Madaleno<br />

548

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!