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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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und Greise aufgehängt zu haben. So einfach war das. Ein paar, die<br />

am Galgen endeten, waren jünger als ich. Manchmal habe ich sie<br />

beneidet, in den Jahren, die folgten. Irgendwann brauchten sie Platz<br />

für neue Gefangene, und so ließen sie die paar Überlebenden, die<br />

es noch gab, gehen.» Er brach ab, wischte sich mit einer fahrigen<br />

Handbewegung übers Gesicht. «Und … der Joan…»<br />

Fabiou dachte, dass er schon einmal das Gefühl gehabt hatte, er<br />

hätte an dieser Stelle abbrechen sollen. Er starrte in den Sommertag<br />

hinaus und versuchte, sich vorzustellen, dass das, was er hörte,<br />

nur eine Geschichte war und nichts, was wirklichpassiert war.<br />

«Sie haben ihn so gehasst», murmelte Bruder Antonius. «Mehr<br />

als Enri Nicoulau, der ja schließlich nur ein Ausländer war. Aber<br />

der Joan – in ihren Augen hat er das schlimmste Verbrechen begangen,<br />

das ein Mensch begehen konnte: Er, der Leibeigene, hatte<br />

sich gegen sie, die Herren aufgelehnt.» Er brach wieder ab. Sein<br />

Gesicht war so fahl wie das Leintuch, auf dem er saß. «Sie haben<br />

die Anführer alle gefoltert. Schon weil sie ein Geständnis wegen<br />

Degrelho haben wollten. Aber Joan… Ich… ich erinnere mich<br />

noch, wie sie ihn zu uns zurückgebracht haben, am Abend vor der<br />

Hinrichtung. Ich habe ihn nicht mehr erkannt, Fabiou, so entstellt<br />

war er. Überall war Blut. Enri Nicoulau hielt ihn die ganze Nacht in<br />

seinen Armen wie ein kleines Kind. Am nächsten Morgen, als sie<br />

kamen, um sie zur Hinrichtung zu bringen, hob er ihn vom Boden<br />

auf und trug ihn aus dem Raum. Das war das letzte Mal, dass ich<br />

sie sah.»<br />

Der blaue Himmel vor dem Fenster verwischte. Es gab eine Menge<br />

Gründe zu weinen. Um Joan und Enri Nicoulau. Um den kleinen<br />

Jousé, der Latein konnte. Um Cristou Kermanach de Bèufort. Um<br />

eine alte Frau, die an der Pinie gestorben war, weil irgendein Idiot<br />

sie für eine Hexe hielt.<br />

«Was ist … aus Janot geworden?», krächzte Fabiou.<br />

Bruder Antonius hob die Schultern. «Ich weiß es nicht. Er war<br />

plötzlich weg. Als wir in Ate ankamen, war er nicht mehr unter den<br />

Gefangenen. Irgendwie muss er es geschafft haben zu fliehen.»<br />

«Und du hast ihn nie wieder gesehen?»<br />

«Doch», murmelte Antonius. «Vor ein paar Wochen.»<br />

Fabioudrehtesich um. «Was?»<br />

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