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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Sagt mal, könnt Ihr den ganzen Brief auswendig?», fragte Loís<br />

zweifelnd.<br />

«Ich hab ihn ja auch nur grob hundert mal gelesen.» Fabiou<br />

seufzte. «Oh, Loís, ich habe das Gefühl, vor einem Riesenhaufen<br />

bunter Steine zu sitzen und zu versuchen, sie zu einem Mosaik<br />

zusammenzulegen, von dem ich nicht mal das Motiv kenne!» Er<br />

stand auf und klopfte sich das Stroh von den Kleidern. «Ich brauche<br />

frische Luft. Ich gehe spazieren.»<br />

«Jetzt?» Loís betrachtete ihn zweifelnd. «Es ha t gerade elf Uhr<br />

geschlagen. Wenn Euer Vater das merkt…»<br />

«Ach, der denkt, ich liege in meinem Bett, wie soll er das merken!<br />

Kommst du mit?»<br />

«Geht alleine. Ich muss das Kapitel noch fertig lesen», meinte<br />

Loís.<br />

Fabiou seufzte. «Echt schade, dass du ein <strong>Die</strong>ner bist. Du müsstest<br />

eigentlich studieren, so wie du immer an deinen Büchern klebst.<br />

Jurisprudenz am besten, so wie du argumentierst.»<br />

«Ja. Schade, nicht wahr?», sagte Loís.<br />

<strong>Die</strong> Straße empfing Fabiou mit friedlicher Stille. Drüben im<br />

Haus brannte noch Licht. Onkel Philomenus hatte ein paar seiner<br />

carcistischen Freunde zu Gast, darunter den St. Roque, den<br />

Faucoun, den Goult und die Gebrüder Forbin, offenbar wollte man<br />

noch auf das Seelenheil <strong>des</strong> verblichenen Senher Bossard anstoßen,<br />

doch die Fensterläden waren geschlossen und ihre Stimmen<br />

drangen nicht auf die Straße hinaus. Es war eine wunderbar klare<br />

Nacht, das weiße Band der Milchstraße zog sich wie ein Nebelstreif<br />

über einen sternenübersäten Nachthimmel. Fabiou lief langsam,<br />

die Hände in den Gürtel eingehängt, wobei er vermied, zu nahe an<br />

die Häuser zu beiden Seiten heranzutreten. Es war zwar nicht die<br />

typische Zeit für die Bewohner, ihre Nachttöpfe auszuleeren, aber<br />

man weißja nie.<br />

Er erreichte die Plaço de Sant Sauvaire. Stille. Einsam die Kathedrale,<br />

verlassen die Universität. Das Haus <strong>des</strong> Parlamentspräsidenten<br />

Oppède lag in völliger Dunkelheit.<br />

Seltsam, dass ihm gerade jetzt wieder die Frau von der Plaço dis<br />

Erbo einfiel. Marguérite Carbrai, Kaufmannswitwe. Protestantische<br />

Kaufmannswitwe, um genau zu sein. So hatten die Markt-<br />

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