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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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den Baroun de Mergoult an, als habe er einen bissigen Köter oder<br />

eine geifernde Viper vor sich. Mergoult schien es nicht aufzufallen.<br />

«<strong>Die</strong> Ehre ist auf meiner Seite», säuselte er, und bevor Cristino sich<br />

versah, hatte er bereits ihre Hand gefasst und sie auf die Tanzfläche<br />

gezogen, wo bereits zahlreiche Paare Aufstellung genommen hatten.<br />

Ringsum war ein eifriges Raunen und Tuscheln zu hören, als<br />

diejungen Herren ihren auserwählten Damen artige Komplimente<br />

machten. <strong>Die</strong> Damen schwiegen, wie es sich in einer Situation wie<br />

dieser geziemte, die Augen züchtig auf den Boden gerichtet, allein<br />

ein paar ältere Frauen zischten ihren Eh emännern Ermahnun gen<br />

zu wie «tretet mir nicht wieder auf die Schleppe» und «vergesst<br />

bloß nicht die Drehung zum Ende der Pavane».<br />

Dann betrat der Tanzmeister den Raum, und alle Gespräche verstummten<br />

schlagartig.<br />

Nichts illustrierte die finanzielle Misere der Familie Ardoche<br />

so sehr wie die Tatsache, dass sie sich keinen eigenen Tanzmeister<br />

leisten konnte. Der untersetzte Herr in dem aufwendig verzierten<br />

Gewand, der an der Schmalseite <strong>des</strong> Raumes Aufstellung nahm,<br />

stand eigentlich bei der Familie l’Evesque in Lohn und Brot und<br />

war für diesen Abend gewissermaßen an die Ardoches ausgeliehen<br />

worden. Er selbst schien extrem verärgert über diesen Umstand<br />

zu sein und fand es sichtlich unter seiner Würde, auf einer derart<br />

zweitklassigen Festivität auftreten zu müssen. Abwechselnd warf<br />

er verächtliche Blicke in Richtung der Gastgeber, <strong>des</strong> buffet und <strong>des</strong><br />

Publikums, und dabei klopfte er mit seinem Taktstock derart erbost<br />

auf den Fußboden, als ob es ihm darum ginge, das Ungeziefer zwischen<br />

den Bohlen zu vernichten.<br />

Cristino bemerkte nichts vom Missmut <strong>des</strong> Tanzmeisters. Sie<br />

stand neben Mergoult, eine eiskalte Hand in die seine gelegt, und<br />

wünschte sich plötzlich meilenweit weg. Nie zuvor hatte sie an<br />

einem Tanz auf einer offiziellen Festlichkeit teilgenommen, und<br />

sie war schlagartig restlos überzeugt, dass sie sich unsterblich blamieren<br />

würde. Sicher, sie und Catarino hatten im vergangenen<br />

Winter Tag für Tag alle wichtigen Tanzfiguren geübt, sicher, sie beherrschte<br />

jeden Schritt, jeden Sprung und jede Drehung im Schlaf,<br />

und dennoch konnte es doch kaum anders sein, als dass sie über<br />

ihre Schleppe stolperte, Pavane und Gaillarde durcheinanderbrach-<br />

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