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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Sie sah im Grunde aus wie auf dem Portrait im kleinen Salon. Älter<br />

natürlich, da, wo die dunklen Haare unter der weißen Haube<br />

mit dem schwarzen Übertuch zu erahnen waren, durchzogen sie<br />

graue Strähnen, und in ihren Mundwinkeln hatte sich beidseits<br />

eine feine Falte eingegraben. Doch ansonsten hatte sie sich nicht<br />

sehr verändert.<br />

Sie hatte etwas Faszinieren<strong>des</strong>. Faszinierend genug, um Cristino<br />

ihren grauenhaften Albtraum erst einmal vergessen zu lassen.<br />

Das lag zum Teil an ihrer Schönheit, denn sie war schön, trotz der<br />

vierundvierzig Jahre, die sie zählte, und obwohl ihr Gesicht niemals<br />

in Kontakt mit Puder und Schminke gekommen war. Sie war<br />

so schön, dass Catarino sich nur erstaunt fragen konnte, warum<br />

diese Frau in ein Kloster gegangen war, statt einen reichen Mann<br />

glücklich zu machen.<br />

Sie saß in einem der Sessel in Oma Felicitas’ Salon und ließ ihre<br />

dunklen Augen durch den Raum schweifen, die unter unglaublich<br />

langen schwarzen Wimpern hervorblickten. Es waren Augen, die<br />

alles mit einem Blick zu erfassen schienen, und Cristino spürte,<br />

wie sowohl Onkel Philomenus als auch ihre Mutter diesen Augen<br />

mit einem gewissen Unbehagen begegneten. Catarino saß an<br />

Cristinos Seite und beobachtete sie strahlend. «Ich habe sie sofort<br />

wiedererkannt», flüsterte sie Cristino und Fabiou ein ums andere<br />

Mal zu. «Sofort! Obwohl ich sie so lange nicht mehr gesehen<br />

habe!», und die Nonne, die ihre Worte sehr wohl verstand, sagte:<br />

«Du musst ein gutes Gedächtnis haben, Catarino, wirklich. Ein<br />

sehrgutes Gedächtnis.»<br />

Onkel Philomenus schien sich offensichtlichgenötigt zu fühlen,<br />

etwas zu sagen, er räusperte sich und meinte: «Nun, ehrwürdige<br />

Schwester, wir fühlen uns geehrt, Euch nach so langer Zeit wieder<br />

in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Nicht wahr, Eusebia, Madaleno?»<br />

Er drehte sich Bestätigung heischend zu seiner Frau und<br />

seiner Schwester um. «Oh ja, geehrt, sehr geehrt», flötete Eusebia.<br />

<strong>Die</strong> Dame Castelblanc murmelteetwas Unverständliches.<br />

Ein spöttisches Lächeln glitt über die Züge der Nonne. «Warum<br />

so förmlich, Vetter? Du kannst mich ruhig weiter Beatrix nennen,<br />

wie früher», sagte sie. Sie hatte eine angenehme, weiche Stimme,<br />

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