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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Ach, du bist doof!» Cristino warf sich aufs Bett und zog die Decke<br />

über den Kopf. Gedämpft drang Catarinos Gekicher an ihr Ohr.<br />

«Na, bin mal gespannt, ob’s wenigstens hilft, gegen deine Träume!<br />

Mann, wenn das Frederi wüsste! Der würde Bruder Antonius nicht<br />

mehr über diese Schwelle lassen!»<br />

Das Halbdunkel unter der Decke wandelte sich in Nacht, als Catarino<br />

die Kerze ausblies. Langsam kroch Cristino unter der Decke<br />

hervor, denn trotz der späten Stunde war es noch ordentlich warm<br />

im Zimmer.<br />

Sie war ebenfalls gespannt, ob ihre Lektüre gegen die Träume<br />

helfen würde. Zur Sicherheit betete sie noch zwei Vaterunser und<br />

drei Ave Maria und bekreuzigte sich ein gutes Dutzend Mal. Dann<br />

schlief sie leidlich beruhigt ein.<br />

Ihr Traum führte sie auf eine blumenübersäte Wiese, wo <strong>Kinder</strong><br />

im Schein einer sanften Frühlingssonne spielten, einander Bälle<br />

zuwarfen, Blumen pflückten und durch das frische grüne Gras<br />

hüpften. Es war ein Bild der Idylle und <strong>des</strong> Friedens, und ein Gefühl<br />

endloser Geborgenheit und grenzenlosen Glücks breitete sich<br />

in ihr aus wie die Wärme nach einem Glas Wein, füllte je<strong>des</strong> ihrer<br />

Glieder bis in die Spitzen der Finger. Ich möchte, dass das Leben<br />

immer so schön ist, sagte sie laut, und die <strong>Kinder</strong> sahen sich zu ihr<br />

um und lachten fröhlich, und es wurde Nacht.<br />

In der Nacht rannte sie wieder durch den Gang ohne Ende, dicht<br />

gefolgt von dem ungeheuerlichen Weib mit den wehenden hellen<br />

Haaren, und sie schrie, schrie nach ihrer Mutter, schrie nach<br />

ihrem Vater, doch keiner kam, ihr zu helfen, keiner rettete sie<br />

vor der Gestalt, die ihr auf den Fersen war wie ein blutrünstiges<br />

Raubtier, sie war allein, völlig allein, und dann stolperte sie,<br />

stolperte über den Körper jenes Mädchens, das sie selbst war und<br />

doch nicht. Näher kam das Weib, schrill hallte ihr Lachen durch<br />

die Endlosigkeit, und Cristino rappelte sich auf, riss sich los vom<br />

Anblick <strong>des</strong> toten Kin<strong>des</strong> und rannte weiter, mit bebenden Knien<br />

und keuchendem Atem, ihr Herz klopfend zum Zerspringen. Sie<br />

wusste, ihre Kräfte waren am Ende, ein paar Schritte noch, und sie<br />

würde anhalten müssen, und das seltsame, zufriedene Lachen <strong>des</strong><br />

Weibes auf ihrer Fährte zeigte ihr, dass diese es ebenfalls wusste.<br />

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