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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Ich hatte die Freude, vor Jahren einmal einen Vortrag Eures<br />

Onkels zu hören», erklärte der Herr mit leuchtenden Augen und in<br />

ebenso flüssigem wie akzentgefärbtem Latein – egal welche Sprache<br />

die Italiener sprechen, es klingt irgendwie immer italienisch,<br />

dachte Fabiou.<br />

«Meines Onkels?»<br />

«Dottore Pierre Avingou», erklärte Dottore Eustachi.<br />

Fabiou sagte nichts. Er hatte nicht gewusst, dass Pierre Avingou<br />

Doktorgewesen war.<br />

«Ein kluger Geist und ein großer Wissenschaftler war er, Euer<br />

Onkel!», meinte der Dottore strahlend. «Ich weiß noch wie heute,<br />

wie er dem Auditorium sagte: ‹Wissenschaftler zu sein bedeutet,<br />

es als unsere heiligste Pflicht zu betrachten, in einer Welt voller<br />

Irrtümer und Lügen der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen.›<br />

Er war… ein Genie, wirklich. Ich bin sicher, wenn er länger gelebt<br />

hätte, wären er und seine Forschung in die Geschichte eingegangen.<br />

Es ist eine schreckliche Tragödie, dass er so früh sterben musste.»<br />

«Ja. Gewiss», sagte Fabiou. Natürlich ist es tragisch, wenn einer<br />

früh stirbt. Aber tiefergehende Gefühle konnte er für einen Onkel,<br />

von dem er kaum den Namen kannte, dann doch nicht aufbringen.<br />

Er hoffte, dass Dottore Eustachi ihn jetzt nicht im Detail zur Forschung<br />

seines Onkels befragen würde. Er hatte keine Ahnung, was<br />

er ihm antworten sollte. Noch dazu auf Lateinisch.<br />

Fabiou hatte Glück, denn in diesem Moment wurde die Unterhaltung<br />

von lautem Brüllen und schrillem Gekreisch unterbrochen.<br />

<strong>Die</strong> erschrocken sich umwendenden Festgäste starrten auf<br />

einen blitzschnell über den Rasen flitzenden Henric de Navarra,<br />

dem ein heulender Theodosius hinterherrannte. «Der Scheißkerl<br />

hat mirgegen mein Beingehauen, den bring’ ich um!», schrie Theodosius,<br />

und Tante Eusebia, offensichtlich entsetzt von der Vorstellung,<br />

ihr Sohn könne noch vor Ablauf seines elften Lebensjahres<br />

zum Königsmörder avancieren, hüpfte ihrem Sohn in ihren zierlichen<br />

Schuhen stolpernd und jammernd hinterher und kreischte:<br />

«Schnuckelchen, Schnuckelchen, warte doch!», während Schnuckelchen<br />

«Bleib stehen, du Mistkerl, bleib stehen!» brüllte. Henric<br />

de Navarra, der sein Leben offensichtlich liebte, dachte nicht<br />

daran und raste hakenschlagend wie ein Hase durch die Reihen der<br />

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