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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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<strong>Die</strong> Erde ist eine Kugel, die sich um ihre eigene Achse und um die<br />

Sonne dreht. Es scheint also nur so, als stünde die Welt still und<br />

die Sonne klettere über den Horizont, steige empor am Firmament<br />

bis zu ihrem Zenit; in Wirklichkeit ist es die Sonne, die stillsteht<br />

im All, und die Erde, die sich bewegt. Der Mensch sitzt auf ihr wie<br />

auf dem Deck eines Schiffes, und wie dieses Schiff einer fernen<br />

Insel zufährt und diese sich unablässig zu nähern scheint, so trägt<br />

die Erde den Menschen, der auf ihrem Rücken sitzt, der Sonne entgegen,<br />

unablässig, unabänderlich. Eine Bewegung im Raum, eine<br />

Bewegung in der Zeit. Denngleichzeitig schreitet die Zeit fort, angezeigt<br />

durch das scheinbare Aufsteigen der Sonne am Himmel,<br />

und so wird der Mensch von jener unglückseligen Rotation eines<br />

Himmelskörpers gnadenlos seinem Schicksal entgegengetragen.<br />

Fabiou saß auf dem Boden vor der Mauer <strong>des</strong> Castel de Mergoult,<br />

auf jenem Boden, der sich Stück für Stück einer Sonne entgegendrehte,<br />

die schon einen gleißenden Streifen Lichts über den Horizont<br />

schickte, und verfluchte das Weltgefüge, das Universum und<br />

die Physik. Oh ja, Onkel Pierre hatte recht gehabt, <strong>des</strong>sen war er<br />

sich auf einmal voll und ganz gewiss. <strong>Die</strong> Sonne drehte sich nicht<br />

um die Erde. Wieso sollte sie. Was konnte einen Himmelskörper<br />

wie die Sonne dazu bringen, sich um einen Ort wie die Erde zu<br />

drehen, einen Ort, der von einer Rasse von Irren beherrscht wurde,<br />

die sich Menschen nannten und sich auch noch etwas darauf<br />

einbildeten?<br />

Er fühlte sich wie gerädert. Nach zwei Nächten quasi ohne<br />

Schlaf hatte ihn weder der harte Untergrund noch die Sorge um<br />

Loís vom Schlafen abhalten können; Fabiou, der sein Leben lang<br />

nie anders als in einem weichen Bett geschlafen hatte, war im sandigen<br />

Gras vor den Mauern <strong>des</strong> Castels eingeschlummert, noch<br />

bevor der Mond aufgegangen war. Als ihn die Kälte der frühen<br />

Morgenstunden aus dem Schlaf holte, waren seine Glieder steif,<br />

seine Nase lief und hinter seinen Lidern pochte ein schmerzender<br />

Puls. Bibbernd drückteer sich in den Windschatten der Mauer und<br />

wartete. Wartete und betete. Bitte, lieber Gott, mach, dass Frederi<br />

endlich kommt. Bitte. Du kannst doch einfach nicht zulassen, dass<br />

Loís stirbt, lieber Gott. Oder?<br />

Gott hatte seines Wissens schon so einiges zugelassen.<br />

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