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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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ten, politische Gegner, Menschen mit unliebsamen Ideen und jeder<br />

sonst, der diesen Kerlen auf den Geist ging oder ihren politischen<br />

Ambitionen im Weg war – wer fragt im allgemeinen Blutrausch<br />

noch danach, ob es dieser oder jener wirklich verdient hat, und ein<br />

Prozess wegen Ketzerei und Irrglauben, der in ruhigeren Zeiten<br />

selbst in Ais ein Skandal wäre, wird in diesem Moment kaum zur<br />

Kenntnis genommen. Und wenn das Chaos vorüber ist, spricht<br />

man ein paar bedauernde Worte, dass der religiöse Eifer vielleicht<br />

auch das eine oder andere unschuldige Opfer gefordert hat, und die<br />

Sache ist erledigt!»<br />

Fabiou dachte wieder an das, was Frederi über Jean Maynier gesagt<br />

hatte. Er verstand seine Worte langsam immer besser. «Und<br />

warum… warum Euer Bruder?», fragte er. Noch während er die<br />

Frage aussprach, kam sie ihm plötzlich selber ziemlich u nan gebracht<br />

vor, und er wäre nicht überrascht gewesen, wenn Piqueu<br />

ihm das auch deutlich gesagt hätte. Statt<strong>des</strong>sen grinste der böse<br />

und meinte: «<strong>Die</strong> haben noch nie einen Grund gebraucht, unsereins<br />

einen Kopf kürzer zu machen. Das Abschlachten von Juden<br />

ist in den letzten Jahren zwar etwas außer Mode gekommen, man<br />

hält sich da eher an die Protestanten, aber wenn es sich ergibt, ist<br />

die Hinrichtung eines Juden doch immer wieder ein willkommener<br />

Zeitvertreib. Schaut mal aus dem Fenster, Senher!» Er wies mit<br />

dem Kinn auf das Fenster, das auf die Carriero de la Jutarié hinausging.<br />

«Seht Ihr die Straßenkreuzung da? Dort wurde vor so<br />

ungefähr achtzig Jahren einem Juden namens Léon Asturg bei lebendigem<br />

Leib die Haut abgezogen, weil er angeblich Lästerungen<br />

gegen die Christen und die Jungfrau Maria ausgesprochen hatte<br />

– mit ausdrücklichem Einverständnis von König René, dem guten<br />

König René. Warum nennt man ihn eigentlich den guten König<br />

René? Das einzige Positive, was man über ihn sagen kann, ist, dass<br />

er eine Menge Geld in diese Stadt hier gesteckt hat.»<br />

Na wunderbar, heute ist offensichtlich der Tag der Gruselgeschichten!<br />

Als ob die Galaud’schen Annalen noch nicht genug gewesen<br />

wären!<br />

Piqueu lachte auf, als er Fabious entsetztes Gesicht sah. «Schlimme<br />

Zeiten, nicht wahr? Wobei ich die Behauptung lächerlich finde,<br />

der Strafvollzug sei heutzutage auch nur im Geringsten humaner.<br />

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