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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Schreibfeder. «Nein», sagte Fabiou. «Nein, ich will nicht in die Bibliothek.<br />

Ich will zu Euch.»<br />

Er sah auf, erstaunt. Ichbin nur der Bibliothekar, sagte sein Blick,<br />

zu mir will man nicht. Ich sorge dafür,dass je<strong>des</strong> Buch zu jeder Zeit<br />

jedem Wissensdurstigen zur Verfügung steht, aber sonst bin ich<br />

nur eine Dekoration am Eingang dieser Hallen, wie ein Wasserspeier<br />

über einem Kirchenportal.<br />

«Was wollt Ihr denn?», knurrte er unwillig.<br />

«Ihr habt Docteur Avingou gekannt, nicht wahr?»<br />

Das Gesicht <strong>des</strong> Bibliothekars zuckte. Er tauchte die Feder in die<br />

Tinte, kritzelte eine Registriernummer in das Buch. «Jeder kannte<br />

ihn hier», murmelte er. «Auchdie,die so tun, als hätten sie ihn nie<br />

gekannt.»<br />

«Ichbin sein Neffe», sagte Fabiou. Der Bibliothekar sah auf. «So.»<br />

Er zwirbelte die Feder zwischen seinen tintenschwarzen Fingern.<br />

«Ich bin hier, um die Wahrheit herauszufinden», sagte Fabiou.<br />

«Ich muss wissen, wie er gestorben ist.»<br />

Der Bibliothekar sah ihn aus starren Augen an. «Er war …», begann<br />

er dann. Er hielt inne und warf einen raschen Blick in Richtung<br />

der Tür und einen zweiten in die Bibliothek. Still büffelten<br />

die Studenten, die Nasen in große Folianten versenkt. «Er war…<br />

ein großer Mann. Ein genialer Wissenschaftler. Und ein aufrechter<br />

Humanist. Keiner von diesen geltungssüchtigen Idioten, deren<br />

Forschen und Tun kein Gesetz und keine Moral mehr kennt, die<br />

in ihrer Verachtung gegenüber der Schöpfung vor nichts zurückschrecken,<br />

nicht mal vor der Vivisektion… Docteur Avingou war<br />

anders. Er war ein wahrhaft großer Mann.» Wieder ein hastiger<br />

Blick, diesmal über seine Schulter. Als ob die Wand hinter ihm<br />

Augen hätte. <strong>Die</strong> Augen der Wächter, die niemals schliefen. «Das<br />

ist meine Meinung. Egal, was sie sagen.»<br />

«Sie?»,fragte Fabiou.<br />

Der Bibliothekar antwortete nicht. Sein Kinn machte eine Bewegung,<br />

zeigte in eine unbestimmte Richtung.<br />

«Ihr meint die Inquisition», sagte Fabiou. Seine eigene Stimme<br />

schien von einem fremden Planeten zu kommen.<br />

«Keiner hier hat für ihn gekämpft, damals, als sie ihn verhaftet<br />

haben», sagte der Bibliothekar. «Ich konnte es nicht fassen, aber<br />

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