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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Es war ein beschwerlicher und gefährlicher Weg. <strong>Die</strong> Menschen,<br />

geschwächt wie sie waren, Alte und kleine <strong>Kinder</strong> unter ihnen,<br />

waren kaum in der Lage, sich vorwärtszuschleppen. Dazu kam<br />

die ständige Gefahr, von den herumstreifenden Söldnertrupps<br />

entdeckt zu werden. Mehr als einmal hörten wir in allernächster<br />

Nähe Rufe und Hufschlag oder sahen die Fackeln, mit denen sie<br />

in die Büsche leuchteten. <strong>Die</strong> <strong>Kinder</strong> fingen zu weinen an, wenn<br />

sie sie hörten, und wir standen To<strong>des</strong>ängste aus, das Weinen der<br />

<strong>Kinder</strong> könnte sie auf unsere Spur bringen. Wir schafften in jener<br />

Nacht nur die Hälfte <strong>des</strong> Weges und lagerten schließlich irgendwo<br />

im Wald <strong>des</strong> Grand Lubéron. <strong>Die</strong> Geräusche <strong>des</strong> Mordens waren<br />

ferner jetzt, doch sie verstummten nicht, und dunkler Rauch strich<br />

in Schwaden über den Lubéron und verdunkelte die Sonne.»<br />

Er stellte sich vor, wie sie durchdie Nacht zogen, sein Vater, sein<br />

Onkel, Couvencour und Degrelho, weinende kleine <strong>Kinder</strong> mit<br />

sich schleifend, ihre Pferde am Zügel führend, auf deren Rücken<br />

Verletzte hingen, die Nacht beleuchtet vom Geisterlicht der Feuer,<br />

die wie Irrlichter durch den Wald flackerten, ringsum die Laute,<br />

aus denen die Angst gemacht ist, Befehle, die gebrüllt werden, die<br />

Entsetzensschreie derer, die man entdeckt hat, und das triumphale<br />

Brüllen ihrer Entdecker. Er stellte sich vor, wie sie im Wald lagerten,<br />

versteckt hinter einem Gebüsch, in Rufweite voneinander um<br />

den Lagerplatz verteilt. Sein Onkel, übermüdet, unrasiert, halb<br />

verhungert, wie er aufdem Waldboden kauerte,das Lederbüchlein<br />

auf den Knien, und mit zitternden Fingern Zeile um Zeile auf die<br />

verknitterten Blätter kritzelte, auffahrend bei jedem Geräusch, jedem<br />

Knacken im Gebüsch, jedem aufflatternden Vogel. Sein Vater,<br />

der aufdie schlafenden <strong>Kinder</strong> starrte und wahrscheinlich an seine<br />

eigenen <strong>Kinder</strong> dachte, die daheim in Ais friedlich in ihren Betten<br />

lagen oder auf dem Fußboden im Salon der Aubans spielten.<br />

«Wir gingen weiter, kaum dass es Nacht geworden war. Der<br />

Hungerhattedie Menschen weiter entkräftet, so dass wir alle paar<br />

Schritte innehalten mussten, um auszuruhen. Eine alte Fraubrach<br />

irgendwann einfach tot am Wegesrand zusammen. Wir hatten weder<br />

die Zeit noch die Kraft, sie zu begraben.<br />

Im Osten hellte der Himmel bereits wieder auf, als wir endlich<br />

Tour d’Aigue erreichten. Doch hier erwartete uns eine böse Über-<br />

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