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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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klang jetzt mehr nach einer Rührszene aus einem Amadís-Roman<br />

als nach einer Gruselgeschichte, und Cristino wurde langsam etwas<br />

ruhiger. «Welches Verhängnis?», fragte sie neugierig.<br />

«DasJahr <strong>des</strong> Schreckens!», fuhr das Weib auf sie los, dass Cristino<br />

einen Satz rückwärts machte. «Das Jahr, in dem Satanas auf<br />

Erden wandelte und dieses Land in höllischer Glut ertränkte. Das<br />

Jahr, in dem Jungfrauen vor den Portalen der Kirche geschändet<br />

und kleine <strong>Kinder</strong> vor den Augen ihrer Eltern in Stücke gehackt<br />

wurden, in dem Weiber wie Männer ins Feuer geworfen wurden,<br />

weil sie sich weigerten, den unheiligen Eid zu schwören! Das Jahr,<br />

in dem die Menschen sich die Abhänge <strong>des</strong> Luberoun hinabstürzten,<br />

um dem Wüten der höllischen Mächte zu entgehen!»<br />

Aha. Cristino atmete auf. Das Weib war offensichtlich nur eine<br />

der üblichen Irren, die auf den Marktplätzen herumsaßen und den<br />

Vorbeilaufenden zuriefen, dass nächsten Freitag die Welt unterginge,<br />

weil Saturn und Jupiter in einer ungünstigen Konstellation<br />

standen oder weil der heilige Jakobus es ihnen im Traum geweissagt<br />

hatte. «Nun, ähm, gut, ich gehe jetzt besser, da geht’s zum<br />

Ausgang, oder?»<br />

«Ihr tragt das Medaillon», sagte die Frau mit einem befriedigten<br />

Lächeln.<br />

«W…wie?»<br />

«Das Medaillon», wiederholte die Frau und wies auf das silberne<br />

Schmuckstück auf Cristinos Brust. «Sie hat Euch erwählt.»<br />

«Wie bitte? Wer?»<br />

<strong>Die</strong> Frau lächelte versonnen. «Agnes. Meine kleine Agnes.»<br />

Cristino fühlte, wie ihre Knie weich wurden. <strong>Die</strong> Inschrift auf<br />

dem Medaillon. Sie beschütze dich, Agnes, Sonne unseres Lebens.<br />

«Agnes?» wiederholte sie schwach.<br />

«Sie war unser aller Sonnenschein», sagte die Frau und wischte<br />

sich mit dem Handrücken über die Augen. «Sie war ein Engel, den<br />

Gott auf Erden vergessen hatte, unsere Agnes. Jetzt», sie schluchzte,<br />

«ist sie ein wirklicher Engel und spielt zu Gottes Füßen.»<br />

«War sie … deine Tochter?», fragte Cristino unsicher.<br />

«Nein… nein. Ihre Eltern nahmen mich in ihrer unendlichen<br />

Güte bei sich auf, damals, in der Zeit der Verfolgung. Zum Dank<br />

und um mein Brot zu verdienen, kümmerte ich mich um die Klei-<br />

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