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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Am 16 . Mai 1558 saß Cristino <strong>des</strong> Morgens am Fenster ihres<br />

Schlafzimmers und machte sich klar, dass sie geistlichen Beistand<br />

benötigte.<br />

Seit jenem seltsamen Fest bei den Mancouns war so gut wie keine<br />

Nacht vergangen, in der sie nicht einen furchtbaren Albtraum<br />

gehabt hatte, Albträume, die sich auf erschreckende Weise glichen,<br />

in denen sie durch eine Gasse lief, flankiert von unzähligen Leichen,<br />

die sie aus ihren leeren Augen anstarrten, in denen sie in<br />

einen Spiegel starrte, aus dem ihr ein kleines blon<strong>des</strong> Mädchen mit<br />

einem sternförmigen Muttermal auf der Stirn entgegensah, in denen<br />

sie dann durch endlose dunkle Gänge floh, verfolgt von einem<br />

Ungeheuer in der Gestalt eines Weibes mit wehenden hellen Haaren,<br />

und die stets damit endeten, dass sie über einen toten Körper<br />

stolperte, der dem Mädchen im Spiegel erschreckend ähnelte. Und<br />

damit, dass das Monster die Hände nach ihr ausstreckte.<br />

Sie hatte Catarino davon erzählt. Zwillingsschwestern haben<br />

schließlich keine Geheimnisse voreinander. Doch Catarino fand<br />

dieganze Sache eigentlich nur im höchsten Maße lächerlich. Träume<br />

sind Nebelschwaden, sagte sie, und dass man vom Geist eines<br />

Toten besessen sein kann, ist ja wohl nichts als Aberglaube, und<br />

überhaupt, wenn es dir vor diesem Medaillon so graust, dann wirf<br />

es halt weg! Nur zu gern hätte Cristino Letzteres getan, doch sie<br />

hatte den furchtbaren Verdacht, dass Agnes sich dann schrecklich<br />

rächen würde. Du spinnst wirklich, meinte Catarino und verdrehte<br />

die Augen.<br />

Überhauptgab es für Catarino derzeit nur zwei Themen: erstens<br />

die Jungs – Jean und Alexandre de Mergoult, Sébastien de Trévigny<br />

und Arnac de Couvencour – und zweitens Tante Beatrix. Fast<br />

jeden Tag lag sie dem Cavalié und ihre Mutter in den Ohren, dass<br />

sie sie im Konvent der Clarissinnen besuchen wollte, und ständig<br />

gab sie eine neue Geschichte zum Besten, was sie angeblich früher<br />

alles mit Tante Beatrix unternommen hatte. Fabiou und Cristino<br />

glaubten diesen Geschichten genauso wenig wie sie Catarinos ewigen<br />

Erzählungen über ihren Vater glaubten; sie hatten beide keinerlei<br />

Erinnerungen an Tante Beatrix, was nicht weiter verwunderlich<br />

war, denn schließlich war diese seit 1545 in Rom gewesen, und<br />

beide bezweifelten sehr, dass Catarino ihre Tante erkannt hätte,<br />

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