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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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teren Ende. Es wird Gerechtigkeit geschehen, Jousé, verlass dich<br />

darauf!»<br />

Bruder Antonius starrte ihn an. «Du bist ja verrückt», murmelte<br />

er kopfschüttelnd.<br />

«Ich bin verrückt. Natürlich bin ich verrückt, Jousé. Wer wäre es<br />

nicht an meiner Stelle? Ich war achtJahre alt, als sie meine Familie<br />

getötet haben. Meiner Mutter hat einer den Bauch aufgeschlitzt,<br />

und ich bin neben ihr gesessen und habe zugesehen, wie sie verblutet<br />

ist. Ich war in Ate, Jousé. Ich war dort, auf dem Richtplatz,<br />

als sie starben; ich habe alles gesehen, Jousé, aus nächster Nähe.<br />

Mein Vater hat meinen Onkel auf das Schafott tragen müssen, weil<br />

er schlichtweg keinen heilen Knochen mehr im Leib hatte. Mein<br />

Vater …» <strong>Die</strong> Stimme brach mit einem seltsamen Laut ab. Starr<br />

lächelten die hölzernen Lippen. Er sprach weiter. «Mein Vater ist<br />

über sechzehn endlose Stunden hinweg gestorben, und ich stand<br />

die ganze Zeit daneben und habe zugesehen, wie die Hunde das<br />

Blut aufleckten, das durch die Bohlen <strong>des</strong> Schafotts tropfte. Ich<br />

habe mit den anderen <strong>Kinder</strong>n gespielt, während mein Vater starb,<br />

um nicht aufzufallen, um meinem Vater wenigstens zu ersparen,<br />

meine Verhaftung mit ansehen zu müssen.» Er lachte leise auf.<br />

«Und du wunderst dich, dass ich verrückt bin?»<br />

Bruder Antonius kämpfte gegen einen heftigen Würgereiz an.<br />

Monströs bäumten sich die Schatten an den Wänden. «Janot, wir<br />

müssen lernen zu vergeben», flüsterte er.<br />

«Vergeben!», zischte es aus dem hölzernen Mund. «Vergeben,<br />

während die, die an allem schuld sind, frei herumlaufen und die<br />

Früchte ihrer Untaten genießen! Gott, Jousé, es waren doch nicht<br />

nur wir! <strong>Die</strong>se Leute haben Tausende unschuldiger Menschen ihrer<br />

puren Gier und ihrem Ehrgeiz geopfert!»<br />

«Wie … meinst du das?»<br />

«Denk mal logisch nach, das müsstest du doch können, du hast<br />

doch eine scholastische Bildung! Du glaubst doch nicht, dass das<br />

alles ein Zufall war, diese Ereignisse, zu diesem Zeitpunkt! Es war<br />

eingroßangelegter Plan, von der ersten bis zur letzten Minute. Und<br />

weißt du, was das Schrecklichste daran ist? – Alles, was uns zugestoßen<br />

ist, hatte nur einen einzigen Sinn – von dem eigentlichen<br />

Verbrechen abzulenken. Eine gigantische, grausige Finte, mehr<br />

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