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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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in der Eingangshalle einer Burg stand, sondern in den Trümmern<br />

einer Ruine. Er suchte sein Pferd und fand es nicht; schließlich,<br />

in der Ferne graute schon der Morgen, lief er zu Fuß den Hügel<br />

hinunter ins nahe Dorf. Bald erschienen Menschen auf der Straße,<br />

Menschen in seltsamer Kleidung, wie er sie noch nie zuvor gesehen<br />

hatte. Er fragte sie verwirrt, was denn mit der Burg geschehen<br />

sei, was konnte sie über Nacht zerstört haben, ohne dass er<br />

es überhaupt gemerkt hatte? Doch die Menschen sahen ihn nur<br />

seltsam an und hasteten weiter. Endlich traf er einen alten Mann,<br />

der sich seine Geschichte anhörte. Als er geendet hatte, sagte der<br />

alte Mann, er erinnere sich, als er ein Knabe war, haben ihm die<br />

Alten <strong>des</strong> Dorfes die Geschichte von einem Ritter erzählt,der nach<br />

dem Tod <strong>des</strong> alten Burggrafen in die Gruft hinabgestiegen und nie<br />

mehr heraufgekommen sei. Der Ritter lachte bei seinen Worten.<br />

Nie mehr heraufgekommen? Guter Mann, ich war nur eine Stunde<br />

in jener Gruft.<br />

Eine Stunde für Euch, ja, sagte da der alte Mann. Aber in der<br />

Stunde, die Ihr in der Gruft verbracht habt, sind draußen in der<br />

Welt hundert Jahre vergangen.»<br />

Man erwartet Kommentare nach einer Geschichte. Beifallsbekundungen.<br />

Kritik. Diskussionen. Schweigen zeugt oft von Langeweile.<br />

Nein, es war nicht Langeweile. Der Tisch schwieg trotzdem.<br />

Schließlich, ein Keuchen von Claudia. Sie schüttelte sich. «Waaa,<br />

ist das unheimlich!»<br />

«Hä, also wie, heißt das, die Zeit ist draußen schneller vergangen<br />

als in der Gruft oder was?», fragte Frederi Jùli verständnislos.<br />

Keiner antwortete.<br />

«Jetzt erzähle ich eine Geschichte», erklärte Roubert entschieden.<br />

«Und zwar», er warf einen geheimnisvollen Blick in die Runde,<br />

«eine wahre Geschichte. Und dazu eine, die zum heutigen Tag<br />

passt.» Er räusperte sich. «Es ereignete sich hier, in dieser Gegend,<br />

zu einer Zeit, die vielleicht zwanzig Jahre her sein mag. Damals<br />

reisten zwei junge Edelleute, Brüder, von irgendwo in der Provence<br />

nach Ais.»<br />

Cristinodrückte mit dem Zeigefinger gegen den Knorpel vor ihrem<br />

rechten Ohr, umdas Summen darin zu übertönen. Im Hintergrund<br />

hämmerte ihr Herzschlag wie ein Schmiedehammer.<br />

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