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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Ach, das arme Geschöpf», seufzte Tante Eusebia. «Der Tod hat<br />

seine Hand nach ihr ausgestreckt. Manch eine, der dies geschah,<br />

siechtedahin und stand nicht mehrauf.»<br />

«Das kommt davon, wenn man die jungen Dinger alleine auf<br />

eine Gesellschaft lässt», sagte Onkel Philomenus, «so etwas ist unschicklich,<br />

zu unserer Zeit hätte es das nicht gegeben.»<br />

«Stell dich nicht so an», sagte die Dame Castelblanc, nachdem<br />

sie ihren ersten Schrecken über die Geschehnisse jenes Abends<br />

überwunden hatte, «was sollen die Leute denken, und die jungen<br />

Kavaliere, willst du dir die besten Partien mit einer Melancholie<br />

verderben?»<br />

«Alles wird gut», sagte der Cavalié, «ich verspreche es dir, Cristino,<br />

alles wird gut.» Aber er hatte dabei Tränen in den Augen.<br />

Sie wollte niemanden sehen. Sogar Catarino schickte sie weg,<br />

wollte sie nicht mehr in das Schlafgemach lassen. «Kein Problem»,<br />

sagte Oma Felicitas, «wir haben doch noch den Raum im Obergeschoss,<br />

Maria macht etwas sauber, dann ist das der reinste Salon.»<br />

Catarino meckerte natürlich, dass sie dasgemeinsame Zimmer räumen<br />

musste, bloß weil ihre Schwester sich mal wieder in Spinnereien<br />

verstieg, doch der Cavalié sprach ein Machtwort, und schäumend<br />

vor Wut zog Catarino ein Stockwerk höher. «Vielleicht nu tzt<br />

du die Zeit in einem abgeschiedenen Zimmer, um darüber nachzudenken,<br />

wie sehr du die Familie heute blamiert hast», sagte der<br />

Cavalié zu Catarino, und die Dame Castelblancjammerte verzweifelt,<br />

dass man wohl froh sein musste, wenn man das Mädchen nach<br />

der Szene heute an einen dieser frischgeadelten Emporkömmlinge<br />

verheiraten könne. «Wird ernsthaft Zeit, dass das Luder unter die<br />

Haube kommt», sagte Onkel Philomenus verächtlich, «die braucht<br />

eine harte Hand, das Mädchen, einen, der ihr ihre Frechheiten austreibt,<br />

bevor sie vollends zum Schandfleck unseres Hauses wird.»<br />

Cristino blieb allein im Zimmer zurück, vergraben in ihre Kissen,<br />

weigerte sich zu essen oder zur Messe zu gehen – es waren die<br />

Tage <strong>des</strong> Pfingstfestes – oder mit irgendeinem Menschen zu sprechen,<br />

und sogar die medizinischen Bücher, die sich auf dem Tisch<br />

stapelten, würdigte sie keines Blickes mehr. «Ich verstehe nicht,<br />

dass du ihr das durchgehen lässt, Frederi», schimpfte Onkel Philomenus,<br />

«ich würde es einer Tochter nie erlauben, der Pfingstmesse<br />

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