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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«<strong>Die</strong>s ist der wahrhaftige Bericht über die schrecklichen Ereignisse,<br />

die sich am Osterfest <strong>des</strong> Jahres 1545 zugetragen haben, als die Vertreter<br />

<strong>des</strong> Gesetzes beschlossen, wider jede Natur und wider je<strong>des</strong><br />

Recht einen Teil der Bürger dieses Lan<strong>des</strong> aufgrund ihrer Religion<br />

und ihrer Lebensart auszurotten.»<br />

Der Heuboden war still und friedlich, Fliegen summten zwischen<br />

den Balken, im Strahl der Sonne, die durch eine Dachgaube<br />

fiel, schwebte dichter Staub zu Boden. Loís war nicht da, er lag oben<br />

in der <strong>Die</strong>nstbotenkammer, bewacht von seinem Vater, n och immer<br />

zu erschöpft, um etwas anderes zu tun als zu schlafen. Fabiou<br />

war allein in der schläfrigen Stille <strong>des</strong> Sommernachmittags, bäuchlings<br />

im Stroh liegend, das Büchlein unter seiner Nase, ein Bild<br />

<strong>des</strong> Friedens. Es war der 5 . Juli, der Tag nach ihrer Rückkehr aus<br />

Arle, er war ausgeschlafen und gebadet, und die blauen Flecken und<br />

Schrunden waren größtenteils unter neuen Kleidern verborgen.<br />

«Bereits im Juli <strong>des</strong> Jahres 1540 war vom Parlament von Aix ein<br />

Dekret erlassen worden, das die Verhaftung einer Anzahl von Einwohnern<strong>des</strong><br />

Dorfes Mérindol unter dem Verdachtder Ketzerei anordnete.<br />

<strong>Die</strong>ses Dekret beruhte einzig und allein auf der Aussage<br />

zweier verhafteter Ketzer, die, um ihr Leben zu retten, wen auch<br />

immer der Ketzerei angezeigt hätten, und enthielt zum Teil Namen<br />

von Verstorbenen, Kleinkindern und Menschen, die es nie gegeben<br />

hatte. <strong>Die</strong> Einwohner von Mérindol waren damals aus ihrem Dorf<br />

in die Berge geflohen, verängstigt durch Gerüchte, dass Truppen<br />

der Gendarmerie gegen ihr Dorf vorrücken wollten – denn schließlich<br />

sind diese bekannt dafür, dass für sie jeder ein Ketzer ist, der<br />

etwas besitzt, was zu stehlen sich lohnt. Als ein vom Parlament gesandter<br />

Gerichtsdiener das Dorf daraufhin quasi verlassen vorfand,<br />

war an diegenannten Verdächtigen eine Vorladung vor das Gericht<br />

in Aixgegangen.»<br />

Ein paar nüchterne Zeilen in den Stadtannalen. Ein paar Namen,<br />

Claude Favery, die Familie Mainard, Jean Pons, Bertin Vian, Jean<br />

und Hugues Pellenc, Peron Rey, der Schulmeister Jacques. Es waren<br />

Menschen. Individuen. Jeder Einzelne von ihnen wollte leben.<br />

«Es mag verschiedene Gründe gegeben haben, warum die Einwohner<br />

von Mérindol dieser Aufforderung nicht sofort nachgekommen<br />

waren. Zum einen richtete sich die Aufforderung zum<br />

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