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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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ich mich erinnere, mein Cristou, wie er vor meinem Fenster saß<br />

und diese Sonette sang, ich höre ihn noch wie heute… aber heutzutage<br />

interessiert sichja kein Mensch mehr für die Italiener, alles<br />

muss Französisch sein, und neu. Als ob man die Liebe auf Französisch<br />

so kunstvoll besingen könnte wie in italienischer Sprache,<br />

in der Sprache der Dichter!» <strong>Die</strong> Dame Castelblanc hatte feuchte<br />

Augen.<br />

«Mama, Petrarca ist seit über hundert Jahren tot, und Ronsar d<br />

lebt noch», bemerkte Catarino, die aggressiv auf Sätze reagierte,<br />

die mit heutzutage begannen.<br />

«Trotzdem, das ist eine Verflachung der Kunst!», jammerte die<br />

Dame. «Man schreibt Gedichte auf franzö sisch , und was ist die Folge?<br />

Jeder Bauer kann sie nachplappern und sich einbilden, sie zu<br />

verstehen. Wo ist da noch das Hohe, das Erhabene der L yrik?»<br />

«<strong>Die</strong> provenzalischen Bauern wohl kaum», meinte Trévi gny<br />

lachend, der in den vergangenen Tagen erheblich mit Verständigungsproblemen<br />

hatte kämpfen müssen. «Es wird Zeit, dass in diesem<br />

Land endlich alle französisch sprechen, wie wollen wir sonst<br />

je eine Großmacht werden, die dem Kaiserreich die Stirn bieten<br />

kann?»<br />

«Ich mag das Provenzalische», warf Fabiou ein. «Am liebsten<br />

würde ich Gedichte auf provenzalisch schreiben.»<br />

<strong>Die</strong> Dame jammerte, das wäre ja noch schöner.<br />

«Euer Bruder ist echt etwas seltsam», flüsterte Trévigny Cristino<br />

zu, wobei er sich so weit in die Kutsche beugte, dass die Krempe<br />

seines Federhutes sacht ihr Haar berührte.<br />

«Ja, er ist schon eigenartig», bestätigte Cristino. «Manchmal ist<br />

es mir fast peinlich mit ihm.»<br />

«Ihr sprecht ein ausgezeichnetes Französisch», flüsterte der<br />

Comte ihr zu, «fast ohne Akzent, Ihr würdet nicht einmal am Hof<br />

auffallen.»<br />

<strong>Die</strong>smal wurde Cristino dunkelrot wie ein Glas Rotwein.<br />

Sie ließen Menerbo und die dazugehörigen Hügel hinter sich und<br />

folgten der Straße weiter Richtung Bonieus. <strong>Die</strong> Sonne war mittlerweile<br />

hoch in den Himmel geklettert, noch besaßen ihre Strahlen<br />

nicht die sengende Kraft <strong>des</strong> Sommers, aber es war bereits so<br />

warm, dass die Mäntel ausgezogen werden konnten. Das Pferd <strong>des</strong><br />

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