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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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heilige Einfalt, ein sauberes Stück Pergament, das er mit Zeige- und<br />

Mittelfinger der linken Hand gegen den Morgenwind sicherte.<br />

Seitgut und gerne zwei Stunden saß er nun hier, hatte die Finsternis<br />

der Nacht in das fahle Licht der Dämmerung übergehen sehen,<br />

hatte das Aufkeimen der Morgenröte am östlichen Horizont<br />

beobachtet, immer in Erwartung einer Muse, die vom Himmel herabstieg<br />

wie der Heilige Geist, um seine Feder zu einer Sonette zu<br />

beflügeln, die Ronsard vor Neid erblassen ließ. Doch offensichtlich<br />

wirkte Castelblanc auf Musen ebenso wenig einladend wie auf normale<br />

Sterbliche. Das Pergament war jedenfalls noch so unberührt,<br />

wie er es heimlich aus Frederis Sekretärgenommen hatte.<br />

Castelblanc.<br />

Verfluchtes, ö<strong>des</strong> Castelblanc.<br />

<strong>Die</strong> Herren von Castelblanc waren vor mehreren hundert Jahren<br />

aus dem Piemont eingewandert und waren zu dieser Zeit den<br />

Quellen zufolge noch ziemlich bürgerlich gewesen. Bis ein gewisser<br />

Charloun Marigotz König Philipp II. von Frankreich auf den<br />

3 . Kreuzzug folgte, wo er ihn der Legende nach vor den Mauern<br />

von Jerusalem vor einer Horde mordlustiger Mauren rettete, die<br />

sein Pferd erschlagen hatten und im Begriff waren, ihm denselben<br />

<strong>Die</strong>nst zu erweisen. Charloun, der ein junger Heißsporn mit<br />

viel Mut und wenig Verstand war, stürzte sich mit Gebrüll in den<br />

Kampfgegen die rasende Übermacht. Philipp II. gelang unversehrt<br />

die Flucht, Charloun verlor ein Bein und vier Finger der linken<br />

Hand und wurde zum Dank für seine aufopferungsvolle Tat zum<br />

Cavalié dou Castelblanc ernannt und mit einem kleinen Gebiet<br />

im Luberoun in der Nachbarschaft der Barounie Oppède belehnt,<br />

fünfzehn Morgen, zehn abhängige Höfe und ein lächerliches Jagdgebiet,<br />

in dem man nach spätestens fünfminütigem Ritt entweder<br />

auf den Besitzungen <strong>des</strong> Barouns von Oppède oder auf denen <strong>des</strong><br />

Senher de la Costo landete. Den Namen Castelblanc hatte sich der<br />

junge Held selbst ausgesucht und ging nun daran, mit freundlicher<br />

Unterstützung seiner leibeigenen Bauern, die er mit Kerker und Tod<br />

bedrohte, sein Lebenswerk, die Burg zum Namen, zu errichten.<br />

Seine Nachkommen, die Cavaliés dou Castelblanc – oder de Castelblanc,<br />

wie sie sich nach einigen Jahrzehnten nannten – mussten<br />

die Erfahrung machen, dass man Noblesse nicht essen kann. Der<br />

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