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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Der Mann, der Hector Degrelho getötet hatte, hatte in einem dunklen<br />

Dachgeschoss im Süden von Ais Domizil bezogen, dort, wo die<br />

niederen Handwerker und Tagelöhner hausten und keiner fragte,<br />

wer und woher. Dunkel war es, da die einzigen Fenster zwei Luken<br />

im Dach waren, die man aufdrücken und mit einer eisernen Strebe<br />

feststellen konnte, welche der Fremde aber – denn ein Fremder war<br />

er, wie seine Sprache und seine Kleidung verriet – stets geschlossen<br />

hielt. Das einzige Licht in dem düsteren Alkoven rührte von einer<br />

beschlagenen alten Öllampe her. Es störte ihn nicht. Er gehörte zu<br />

den Geschöpfen, die das Licht scheuten.<br />

Der Mann, der Hector Degrelho getötet hatte, saß an diesem Junimorgen<br />

im Schein der Lampe und reinigte seine Arkebusen. Es<br />

waren zwei hervorragende Stücke; moderne Radschlossarkebusen,<br />

ohne die Verzierungen und Gravuren, wie sie die hohen Herren<br />

liebten, denen eine Arkebuse vor allem dazu diente, sie in ihrem<br />

Waffensaal eindruckschindend an die Wand zu hän gen. <strong>Die</strong>se Arkebusen<br />

waren aus einfachem, schmucklosem Stahl, die Farbe ein<br />

rußiges Schwarz, doch sie hatten eine Auslösezeit von knappp drei<br />

Sekunden, trafen ihr Ziel aus hundert Schritt Entfernung und versagten<br />

nie.<br />

Der Fremde hatte den Lauf ausgeputzt und machte sich daran,<br />

die Scharniere zu reinigen und zu ölen.<br />

Er selbst hätte sich wohl nie als der Mann gesehen, der Hector<br />

Degrelho tötete. Er hatte wichtigere getötet; Grafen, Fürsten, hohe<br />

kirchliche Würdenträger, Menschen, von deren Sein oder Nichtsein<br />

das Schicksal von Völkern abhing – was war schon ein Hector<br />

Degrelho im Vergleich zu diesen. Abgesehen davon interessierten<br />

ihn die Namen seiner Opfer nur insofern, als sie zum Aufspüren<br />

derselben von Bedeutung waren; sie waren anonyme, gesichtslose<br />

Gestalten, Nummern auf einer Liste, flüchtiges Wild, das einen<br />

Moment der freudigen Erregung in die Nüchternheit <strong>des</strong> Daseins<br />

warf.<br />

Jagdbeute, um genau zu sein.<br />

Der Fremde ging dazu über, Pulver in den Lauf zu füllen. Seine<br />

Arkebusen waren immer geladen, Tag und Nacht. Für den Fall <strong>des</strong><br />

Falles. Er stopfte das Pulver fest und holte aus dem kleinen Beutel,<br />

den er um die Hüfte trug, eine Bleikugel hervor.<br />

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