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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Dann waren sie wirklich Freunde, mein Vater und mein Stiefvater?»,<br />

fragte Fabiou ungläubig. Er hatte dies bisher immer für<br />

eine schöne Legende gehalten.<br />

«<strong>Die</strong> besten, die man sich vorstellen konnte», antwortete die<br />

Großmutter. «Sie haben einander geliebt wie Brüder. Mehr als<br />

das.»<br />

«Oh ja, er hat meinen Vater geliebt, und Mutter hat meinen Vater<br />

geliebt, wie sie ja immer sagt. Warum haben sie beide dann<br />

kaum gewartet, dass mein Vater unter der Erde war, bis sie geheiratet<br />

haben?» Catarinos Augen funkelnden wütend.<br />

«Euer Stiefvater und eure Mutter haben nach der üblichen<br />

Trauerzeit, die einer Witwe ansteht, geheiratet», erwiderte Oma<br />

Felicitas.<br />

«Aber wenn Mutter Vater geliebt hat, warum hat sie dann überhaupt<br />

einen anderen Mann geheiratet?», rief Catarino verzweifelt.<br />

«Das Leben einer Witwe ist nicht einfach, Mädchen», sagte Oma<br />

Felicitas kühl. «Glaub mir, ich bin seit über zwanzig Jahren Witwe,<br />

ich weiß, wovon ich rede. Und sie hatte euch. Sie brauchte einen<br />

Mann, der sie und ihre <strong>Kinder</strong> beschützte und gesetzlich vertrat.»<br />

«Trotzdem», murmelte Catarino wütend.<br />

<strong>Die</strong> Großmutter seufzte und schlug das Buch zu. «Kommt mit,<br />

<strong>Kinder</strong>, ich will euch etwas zeigen.»<br />

Sie stiegen die Treppe in den zweiten Stock <strong>des</strong> Hauses empor,<br />

Cristino als letzte, noch immer so abwesend, dass Catarino ihr einen<br />

Stups gab und schimpfte, wach endlich auf, map’tite , die Nacht<br />

ist vorbei! Catarino und Fabiou dagegen waren jetzt hellwach, denn<br />

der zweite Stock war Oma Felicitas erklärtes Heiligtum, das außer<br />

ihr und ihren persönlichen <strong>Die</strong>nern niemand betreten durfte, und<br />

sie hatten schon lange daraufgegiert, sich hier einmal umzusehen.<br />

Oma Felicitasschritt auf eine Tür zu und öffnetesie mitden Worten:<br />

«Hereinspaziert. <strong>Die</strong>s ist mein ganz eigenes, privates Reich.»<br />

Sie traten ein. Und Catarino schrie gellend auf.<br />

An der Wand, ihnen direkt gegenüber, hing ein Gemälde. Der<br />

junge Mann, den es zeigte, hätte Fabiou sein können, die gleichen<br />

rotgelockten Haare, die gleichen grünen Augen, das gleiche sommersprossige<br />

Gesicht mit dem verschmitzten Lächeln. Nur dass<br />

der junge Mann natürlich älter als Fabiou war, Anfang zwanzig<br />

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