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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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sie aus seiner Macht, und ihre Besessenheit fiel ab von ihr, und sie<br />

konnte wieder klar sehen mit den Augen eines Christenmenschen,<br />

und als sie erkannte, was sie getan hatte, griff sie einen Dolch und<br />

stach ihn sich ins Herz und richtete sich selbst.»<br />

Er holte Luft, wohl um seine Worte wirken zu lassen oder um<br />

einen Blick in die Runde zu werfen. Stocksteif saßen die Zuhörer<br />

am Tisch, ihre Augen klebten an seinen Lippen. Cristinobemerkte<br />

verwirrt,dass in der Dunkelheit Bewegung war. Nein, nicht in der<br />

Dunkelheit, es war nur der Tisch, der sich langsam um sich selbst<br />

drehte.<br />

«Und was geschah dann?» Nicht die drängende Frage eines ungeduldigen<br />

Frederi Jùli. <strong>Die</strong> Stimme war ruhig, kalt. Umso überraschender,<br />

als sie sich seit ungefähr einer Stunde nicht mehr zu<br />

Wort gemeldet hatte. Roubert drehte sich zur Seite und blickte<br />

Arnac de Couvencour an. Couvencour hatte sich zurückgelehnt,<br />

der Schein der Kerze erreichte ihn nicht mehr. Sein Gesicht lag in<br />

vollkommener Dunkelheit.<br />

«Nun…», er räusperte sich, der Einwurf hatte ihn aus dem<br />

Erzählfluss gebracht, «nun, als der Onkel am nächsten Tag zu seinem<br />

Heim zurückkehrte, da fand er die <strong>Kinder</strong> erwürgt, ihre Leichen<br />

grausig verunstaltet, und daneben das <strong>Kinder</strong>mädchen, den<br />

Dolch in der Brust. Da zerriss er sich die Kleider, verfluchte sein<br />

Schicksal, überließ all sein Hab und Gut der Kirche und ging als<br />

Mönch ins Kloster. Der <strong>Die</strong>ner aber, der das <strong>Kinder</strong>mädchen ins<br />

Haus geholt hatte, verfiel dem Wahnsinn, und noch heute kann<br />

man ihn durchdie Dörfer wandern sehen und mit schriller Stimme<br />

seine Klage in die Nacht hinaus rufen hören. <strong>Die</strong> Mädchen wurden<br />

auf einem Friedhof nahe einer alten Kapelle bestattet. Und als<br />

der Onkel auf dem Weg in die Abgeschiedenheit <strong>des</strong> Klosters ein<br />

letztes Mal seine Schritte zu der Kapelle lenkte, um Abschied zu<br />

nehmen von den armen unschuldigen <strong>Kinder</strong>n,da waren ihre Gräber<br />

umrankt von einem riesigen Strauch weißer Rosen, die über<br />

Nacht dort gewachsen waren. Und wer einen Herzenswunsch hat<br />

und eine dieser Rosen bricht, dem wird er gewiss erfüllt werden.»<br />

Er schwieg.<br />

Cristino spürte, wie ihr übel wurde.<br />

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