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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Du sollst nicht fluchen!», schrie Cristino. «Dafür kommt man<br />

ins Fegefeuer! Aber dir würde ich’s gönnen, ehrlich!»<br />

«Schluss jetzt!» Catarino riss ihrer Schwester ruckartig die Decke<br />

vom Schoß. «Du stehst jetzt auf!»<br />

Cristino ließ die Beine über die Bettkante gleiten und angelte<br />

mit den Zehen nach den bestickten Samtpantoffeln unter ihrem<br />

Bett. Sie fühlte sich so elend wie nie zuvor in ihrem Leben. «Ich<br />

glaube, ich werde krank», murmelte sie.<br />

«Blödsinn! Du bist nicht krank! Du bist unglücklich verliebt, das<br />

ist alles!»<br />

«Doch… ich glaube, ich bekomme Halsschmerzen…»<br />

«Oh, Cristino, lass den Unsinn! Ich rufe jetzt Anno, dass sie uns<br />

beim Ankleiden hilft!»<br />

Gesenkten Hauptes schlurfte Cristino zur Frisierkommode hinüber<br />

und ließ sich auf den Stuhl fallen, den Catarino f reigemacht<br />

hatte. Langsam hob sie den Kopf, langsam schlug sie die Augen auf,<br />

und langsam ließ sie ihr Spiegelbild auf sich wirken. Eine Elegie.<br />

Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen konnte kein ergebeneres, kein<br />

tragischeres Bildgeben, so bleich war ihr schmales Gesicht, so weh<br />

der Blick aus den blauen Augen, so flehend die Lippen aufgeworfen,<br />

und darum der goldene Kranz ihres noch ungekämmten Haars, ein<br />

Bild, das nach einem Dichter schrie, es zu besingen…<br />

Dann fiel ihr der dicke, rote Pickel über ihrer Nasenwurzel auf,<br />

und die kleine weiße Narbe dicht unter ihrem Haaransatz, und sie<br />

begann wieder zu heulen. «Ich sehe aus wie ein Monster!», schniefte<br />

sie. «Arman de Mauvent wird sich nie in mich verlieben, wenn<br />

er mich so sieht!»<br />

«Das macht doch nichts – er wird dich ja nicht sehen!», stellte<br />

Catarinotrocken fest. « Ma mie , Cristino, ist doch nicht so schlimm<br />

– leg ein bisschen Puder drauf, dann fällt das doch keinem auf!»<br />

Von draußen wurde an die Tür geklopft, und Catarino sprang<br />

auf die Füße. «Das ist Mama – ich hab’s dir ja gesagt, wir kriegen<br />

Ärger!»<br />

«Catarino! Cristino! Wo bleibt ihr denn? Anno, geh und hilf den<br />

Mädchen beim Anziehen! Gott, <strong>Kinder</strong> beeilt euch, es ist schon halb<br />

sieben, wir wollen doch um neun fahren! Wo ist Fabiou eigentlich?<br />

Und, Agato, ist die Kleine fertig? Fabiou, Fabiou, wo bist du? Oh<br />

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