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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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samkeit auf sich, indem sie ihre Hand ergriff, die linke, um genau<br />

zu sein, und murmelte: «Was macht ein Mädchen, das so eine Hand<br />

besitzt, so traurig?»<br />

Nun, verglichen mit ihrer eigenen Hand ist meine natürlich ein<br />

Abbild <strong>des</strong> Himmels, dachte Cristino ironisch, denn sie war stolz<br />

auf ihre zarte weiße Haut – ganz ohne Sommersprossen, ätsch, Catarino<br />

– und fühlte dieselbe in der schwieligen und nicht allzu sauberen<br />

Pranke der Alten mit den gelblichen, gefurchten Fingernägeln<br />

nicht sonderlich gut aufgehoben. Doch der Versuch, sie sanft<br />

zu entwinden, wurde von den festen Fingern der Wahrsagerin vereitelt.<br />

«<strong>Die</strong> Schicksalslinie…», murmelte sie, «selten so gesehen,<br />

so eine ausgeprägte Schicksalslinie. Jaja. Und diese Lebenslinie …<br />

Möglichkeiten, viele Möglichkeiten. Ihr könnt große Dinge vollbringen,<br />

mein Kind.»<br />

Cristino fand es ziemlich frech von dieser Bettlerin, dass sie sie<br />

«mein Kind» nannte, aber sie fand es unklug, eine Hexe zu verärgern,<br />

weswegen sie die Bemerkung hinnahm und fragte: «Was<br />

willst du damit sagen? Dass ich einen berühmten Mann heiraten<br />

werde?»<br />

«Heiraten!» <strong>Die</strong> Alte verzog höhnisch ihre rissigen Lippen.<br />

Sie hatte einen seltsamen Akzent, irgendwie fremdländisch. Spanisch<br />

vielleicht. «Sonst keine Pläne, keine Fantasie? Jaja, immer so.<br />

Großes Schicksal, doch geht verloren. Geht immer verloren.»<br />

«Wie meinst du das?», fragte Cristino und runzelte die Stirn.<br />

<strong>Die</strong> Alte umfasste zu Cristinos Ärger jetzt auch noch ihre rechte<br />

Hand. «In diesen Händen liegt Magie», flüsterte sie. «Heilende<br />

Kräfte, diese Hände, wie die Hände <strong>des</strong> heiligen Cosmas.»<br />

Cristino blickte zweifelnd auf ihre Handflächen. «Und was ist<br />

mit der Liebeslinie?» Anne das Pferd, die mal bei einer Handleserin<br />

gewesen war, hatte ihr gesagt, das Wichtigste sei immer die<br />

Liebeslinie. Sie, Anne, habe eine wunderbare Liebeslinie.<br />

<strong>Die</strong> Alte warf einen kurzen, nachlässigen Blick auf Cristinos<br />

Handfläche. Das Thema Liebeslinieschien sie nicht weiter zu interessieren.<br />

«<strong>Die</strong> Liebe wird schon zu Euch kommen, Kindchen. Aber<br />

nehmt Ihr sie an, Kindchen, das ist die Frage. Aber egal. Ihr wolltet<br />

erzählen, was Euch bedrückt!»<br />

Kindchen! Das wird ja immer besser!<br />

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