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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Nein, es war keine Einbildung. <strong>Die</strong>smal war Ingelfinger zusammengezuckt.<br />

«Woher weißt du…», begann er lahm.<br />

Fabiou zog das Büchlein mit dem Ledereinband aus der Tasche<br />

und hielt Ingelfinger die erste Seite unter die Nase. «Das hat mein<br />

Onkel geschrieben, kurz vor seinem Tod. Docteur Pierre Avingou,<br />

alias Magister Morus, wie ich annehme.»<br />

Ingelfinger sah mit einem langsamen Nicken auf das verschmierte<br />

Papier. «Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass wir<br />

keine Ahnung hatten? Ein Armutszeugnis für Spione, ich weiß.<br />

Aber die Bruderschaft, die Waldenser, Maynier – das interessierte<br />

uns doch alles nur am Rande! Wir lebten im Krieg, im Krieg zwischen<br />

Deutschland und Frankreich, Rom und Italien, Spanien und<br />

England! <strong>Die</strong> Bruderschaft – ein kleines Detail in einem gigantischen<br />

Spiel. Sie hat uns nie richtig interessiert. Und genauso wenig<br />

haben uns Maynier und seine Pläne interessiert. Warum auch<br />

– Strafexpeditionen gegen Ketzer waren an der Tagesordnung. Was<br />

war schon zu erwarten – ein paar Festnahmen, ein paar Hinrichtungen,<br />

ein paar Enteignungen, nicht schön das Ganze, aber zu unwesentlich<br />

im großen Zusammenhang, um sich darüber Gedanken<br />

zu machen.» Ingelfinger lächelte gequält. «Wer denkt schon, dass<br />

dieser Kerl den Mord an Tausendenplant? Wer denkt schon, dass er<br />

vorhat, einen ganzen Landstrich in Schutt und Asche zu legen?»<br />

«<strong>Die</strong> Bruderschaft hat daran gedacht», meinte Fabiou unbewegt.<br />

Ingelfinger seufzte. Das Lausbubenhafte war aus seinem Gesicht<br />

verschwunden. Er sah plötzlich alt aus. «Wir haben sie nicht ernst<br />

genommen, Fabiou. Ein paar humanistische Schwärmer und Utopisten.<br />

Ich habe mich nicht um das gekümmert, was sie sagten.<br />

Ich wusste nicht einmal, dass Corbeille durch einen Verräter die<br />

Identität der Bruderschaft enträtselt hatte. Und Corbeille wusste<br />

nicht, dass die Bruderschaft einen Plan hegte, den Arrêt de Mérindol<br />

aufzuhalten. Und beide wussten wir nicht, dass der Verräter<br />

weiter an der Vernichtung der Bruderschaft arbeitete. Trostett<br />

wusste es. Aber er warnte sie nicht. Maynier hatte es geschafft,<br />

ihn auf seine Seite zu ziehen.» Er holte tief Luft. «Trostett war ein<br />

Mensch mit Prinzipien. Ich nehme an, Maynier musste ihm nur<br />

etwas von wegen Rettung <strong>des</strong> wahren Glaubens erzählen, und er<br />

hat ihm aus der Hand gefressen. Corbeille dagegen war ein Pro-<br />

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