04.11.2013 Aufrufe

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

war zwar ab und zu etwas unpraktisch bei Rechtsgeschichten, aber<br />

sicher kein Grund, sie alle abzumetzeln wie Schlachtvieh! Ohne<br />

jede Gerichtsverhandlung! Ich meine, sogar ein Ketzer hat doch ein<br />

Recht auf einen ordentlichen Prozess, oder?» Trévigny runzelte die<br />

Stirn. Fabiou schnappte fassungslos nach Luft. «Ja, aber wie … wie<br />

kann so etwas sein…»<br />

«Es gab da einen Erlass zu Merindou, diesen ‹ Arrêt de Mérindol›,<br />

wie sie es genannt haben.» Der Buous drückte seine Missbilligung<br />

aus, indem er diese Formulierung so französisch wie möglich<br />

aussprach. «Von … Jaume, weißt du noch, von wann der war?<br />

‘38<br />

?», fragte er dann den Bonieus, und der meinte: «‘4 0 ,glaube ich.»<br />

– «Also, ‘40<br />

in etwa», fuhr der Buous fort. «Da hatte unser verehrter<br />

Erster Parlamentspräsident meines Wissens auch schon seine<br />

Finger mit drin. Damals war er zwar noch nicht Präsident, sondern<br />

nur Conseiller beim Parlament, aber trotzdem… Das war zunächst<br />

eigentlich eine ganz harmlose Geschichte, irgend so ein verhafteter<br />

Ketzer hatte erzählt, dass ein paar in Merindou der waldensischen<br />

Sekte angehörten. Na ja, unser hochverehrtes Parlament<br />

schickt also einen Büttel nach Merindou, dass er diese Waldenser<br />

verhaftet, aber die haben irgendwie Wind davon bekommen und<br />

sich aus dem Staub gemacht. Gut, unsere lieben Rechtshüter hängen<br />

in Merindou also eine gerichtliche Vorladung aus, die alle Verdächtigen<br />

miteinschließt, darunter Greise und kleine <strong>Kinder</strong>. <strong>Die</strong><br />

in Merindou schicken daraufhin einen zum Parlament, der darum<br />

bittet, die Anhörung in Merindou selbst abzuhalten, damit sie ihre<br />

halbtote Oma nicht nach Ais karren müssen. Und was macht das<br />

Parlament? Erlässt eine Verfügung, die besagt, dass die Frist abgelaufen<br />

sei, innerhalb derer sie in Ais hätten vorstellig werden müssen,<br />

und damit gälten alle verdächtigten Personen als der Ketzerei<br />

überführt und seien zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt!<br />

Und weil der senile Priester von dem Kaff herumgepöbelt hatte,<br />

dass ganz Merindou von Ketzern durchsetzt sei, sollte der gesamte<br />

Ort niedergebrannt und sämtliche beweglichen Güter eingestrichen<br />

werden! Also, ich bin ja nun wirklich kein Jurist, aber das<br />

weiß sogar ich, dass so etwas kein rechtsgültiges Vorgehen ist! Ja,<br />

und das war also der so genannte Arrêtde Mérindol.»<br />

287

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!