04.11.2013 Aufrufe

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

EPILOG<br />

Am 10 . November 1558 näherte sich ein Fuhrmann auf seinem<br />

Karren von Melun kommend über die schlammverspritzte Straße<br />

den Mauern von Paris. Er hatte eine Ladung Töpferwaren aus der<br />

Hauptstadt nach Nemours gebracht und war jetzt, am Nachmittag<br />

vor St. Martin, auf dem Heimweg. Es war kalt für November, der<br />

Matsch auf den Straßen beinahe gefroren, er hatte sich nicht nur in<br />

einen, sondern in sage und schreibe drei warme Mäntel gewickelt,<br />

Fäustlinge über seine Hände gestreift und die Mütze tief über die<br />

Ohren gezogen und trotzte jetzt mit einem vergnügten Pfeifen auf<br />

den Lippen der Kälte und dem stetigen Nieselregen, durch den sein<br />

stämmiger Gaul unermüdlich vorwärts trottete.<br />

Kurz vor Vitry-sur-Seine ließ ihn das Winken eines jungen<br />

Burschen am Straßenrand an den Zügeln ziehen. Der Knabe war<br />

durchnässt vom Regen und grimassierte grinsend unter seiner<br />

tropfenden Kappe hervor. «Grüß dich!», schrie er ihm zu. «Du<br />

kannst mich nicht etwa nach Paris mitnehmen? – Ich kann zahlen»,<br />

ergänzte der Bursche sofort und winkte mit einer Münze.<br />

Der Fuhrmann, der fünf <strong>Kinder</strong> hatte und um je<strong>des</strong> Zubrot<br />

dankbar war, nickte wohlwollend. «Steig auf», sagte er, und behend<br />

hatte der Bursche sein Bündel auf die Ladefläche geworfen und<br />

war neben ihm auf den Kutschbock geklettert. Der Fuhrmann betrachtete<br />

ihn prüfend von der Seite, seine abgetragene, durchnässte<br />

Kleidung, die kleine Narbe auf seiner Stirn, in der tropfnass das<br />

blonde Haar klebte, das Bündel hinter ihm im Karren, das sonnenverbrannte<br />

Gesicht seines Gegenübers. Er musste aus dem Süden<br />

kommen. Hier in Paris hatte sich die Sonne schon einige Wochen<br />

lang nicht mehr sehen lassen.<br />

«Was bist du? Handwerksbursche auf Wanderschaft, hm?»,<br />

fragte er, während er dem Gaul wieder die Zügelgab.<br />

1087

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!