04.11.2013 Aufrufe

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dafür zum Beispiel, dass sie uns für unseren Glauben hetzen wie<br />

die Tiereund abschlachten wie Vieh?»<br />

«Antoine», sagte Couvencour, «dieser Junge hier hat bestimmt<br />

noch keinen Protestanten umgebracht. Und du weißt, wer sein Vater<br />

war.»<br />

«Oh ja, und ich weiß vor allem auch, wer seine Mutter und sein<br />

Stiefvater sind», höhnte der junge Carbrai. «Judas war schließlich<br />

auch einsehr ehrenwerter Mann.»<br />

«Verflucht, Antoine, du hast keine Ahnu n g, wovon du da re<strong>des</strong>t!»,<br />

erklärte Rouland de Couvencour.<br />

«Nein, habe ich auch nicht. Und jetzt entschuldigt mich, ich habe<br />

noch im Kontor zu tun!» Der junge Mann wandte sich brüsk ab<br />

und ging aus dem Raum.<br />

«Nehmt es ihm nicht übel, bitte», flüsterte die Witwe Carbrai.<br />

«Er hatden Tod seines Vaters nie verwunden.»<br />

Fabiou zog es vor, nicht in ihre Richtung zu blicken und starrte<br />

statt<strong>des</strong>sen auf das Regal zu seiner Linken. Eine Bibel, in französischer<br />

Sprache, wie Fabiou leicht erstaunt registrierte – er hatte<br />

bisher nur Bibeln auf Lateinisch gesehen – zwei Bücher von Luther,<br />

drei von Calvinus. INSTITUTIO RELIGIONAE CHRISTIANAE<br />

las Fabiou auf einem Buchrücken. Er schätzte, dass allein der Besitz<br />

eines dieser fünf Bücher ausreichte, seinen Eigentümer an der Pin<br />

de Genas enden zu lassen. <strong>Die</strong> Witwe Carbrai interpretierte seinen<br />

Blick offensichtlich richtig. «Wir verstecken uns nicht», sagte sie<br />

leise. «Unsere Religion ist kein Geheimnis. Wenn wir dafür sterben<br />

müssen, so ist es Gottes Wille.» Fabiou betrachtete sie irritiert.<br />

Er fand das ziemlich seltsame Worte für eine kleine Bürgersfrau<br />

in Witwentracht. Um genau zu sein, fand er das ganz allgemein<br />

ziemlich seltsame Worte. Worte, die man in einer Heiligenvita<br />

erwartete, aber nicht in einem von der Abendsonne bestrahlten<br />

Bürgerhaus mit einem Glas Wein in den Händen. «Wie … wie ist<br />

Euer Gatte denn gestorben?», fragte er unsicher. Wieder eine dieser<br />

indiskreten Fragen. Er verfluchte seine Neugierde.<br />

Sie seufzte. Es war nicht das theatralische Jammern, das seine<br />

Mutter bei solchen Gelegenheiten zur Schau trug. Eher ein Laut<br />

der Resignation.<br />

617

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!