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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Im Traum war sie zurück in der Kutsche, die durch den Luberoun<br />

fuhr. Sie sah das Licht der Aprilsonne durch die Fenster fallen, sie<br />

hörte das Rattern der Räder und spürte das Schwanken <strong>des</strong> Gefährts<br />

auf der unebenen Straße und die Rufe eines Kutschers, der<br />

galoppierende Pferde antrieb.<br />

Etwas war falsch. Es war, als sei die Kutsche gewachsen, dehnte<br />

sich um sie herum aus, um sie auf die Größe einer Ameise<br />

schrumpfen zu lassen. Cristino sah zu dem Fenster zu ihrer linken<br />

und konnte es nicht erreichen, so hoch war es über ihr, sie sah zu<br />

der Sitzbank ihr gegenüber, meilenweit war sie entfernt, sie tastete<br />

mit den Füßen nach dem Boden, doch da war nur Tiefe. Laut<br />

knarrten die Achsen und holperten die Felgen auf der Straße.<br />

Da waren Menschen mit ihr im Innern der Kutsche, stumme,<br />

verschwommene Gestalten, die ihr vage bekannt vorkamen, doch<br />

zu fern, dass sie ihre Gesichter hätte ausmachen können. Das<br />

Licht flackerte auf den Wänden wie die Feuer der Hölle, un d die<br />

Kutsche stand. Das Fenster, sie musste das Fenster erreichen, sie<br />

musste sehen, begreifen was geschah, doch hoch, so hoch war das<br />

Fenster über ihr, und sie zog die Füße an und stellte sie auf die<br />

Bank, und an den unteren Rand <strong>des</strong> Fensters geklammert zog sie<br />

sich nachoben.<br />

Dann herrschte Dunkelheit um sie, Dunkelheit, die nach Stille<br />

und Verlassenheit klang. Fern das Geräusch eines schreienden<br />

Käuzchens, Huhuu, Huhuu, anklagend und düster durch die<br />

Schatten starrender alter Bäume. Sie stolperte auf sumpfigen Untergrund,<br />

ihr Kleid verfing sich in Dornenranken und hakelnden<br />

Zweigen, lauernd beugten sich die Silhouetten uralter Weiden<br />

über sie und angelten mit den knorrigen Ästen nach ihrem Haar.<br />

Sie war nicht allein, auch wenn sie sich so fühlte. Jemand hielt<br />

sie an der Hand, zog sie gnadenlos durch das Dickicht, eine Gestalt,<br />

leichenweiß die Haut im Licht eines fahlen Mon<strong>des</strong>, das<br />

weiße, luftige Kleid wie ein Totentuch, schwarze, lange Haare<br />

schwebend im Nachtwind. <strong>Die</strong> Gestalt sprach keinen Ton, nur das<br />

Huhuu <strong>des</strong> Käuzchensin der Nachtund das Kichernder verwunschenen<br />

Bäume war zu hören. Cristino spürte, wie Angst in ihr<br />

hochstieg wie flüssiges Eis, sie wollte sich losreißen, wollte lau-<br />

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