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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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noch nie zuvor von einem Pferd gestiegen. Hinter ihm klappte eine<br />

Tür, aus dem Augenwinkel sah er Catarino und Cristino aus der<br />

Kutsche steigen.<br />

Fabiou hatte noch nie einen Toten gesehen. Wenn man in Castelblanc<br />

aufwächst, kommt man nicht allzu oft in Situationen, wo<br />

man auf Leichen stößt; anders als in der Stadt, wo man, wie Cousin<br />

Theodosius stets großspurig erzählte, im Winter jeden Tag über<br />

einen toten Bettler stolperte, waren vergleichbare Ereignisse in den<br />

Dörfern nördlich <strong>des</strong> Luberoun eher selten. Vor zwei Jah ren, als<br />

der alte Joussou, Bardous greiser Vater, gestorben war, hatte Catarino<br />

vorgeschlagen, zu <strong>des</strong>sen Zimmer zu gehen, um den Toten<br />

anzuschauen und endlich mitreden zu können – min<strong>des</strong>tens fünf<br />

ihrer besten Freundinnen konnten damit angeben, bereits eine Leiche<br />

gesehen zu haben, und Anne de Valet hatte in Ate sogar schon<br />

mal eine Hinrichtung miterlebt, womit sie prahlte, als sei sie dem<br />

König persönlich begegnet. Cristino hatte Catarinos Ansinnen<br />

entsetzt abgelehnt, allein die Vorstellung, einen Toten zu sehen,<br />

hatte sie mit Grauen erfüllt, aber Catarino und Fabiou hatten sich,<br />

gefolgt von Frederi Jùli, den man natürlich nicht hatte abwimmeln<br />

können, auf den Weg zur <strong>Die</strong>nstbotenunterkunft gemacht.<br />

Ihr Vorhaben wäre möglicherweise von Erfolg gekrönt gewesen,<br />

wären sie dabei nicht dem Cavalié begegnet und hätte Frederi Jùli,<br />

der kleine Idiot, ihm nicht strahlend von ihrem Plan erzählt. Der<br />

Cavalié hatte ihr Vorhaben als unchristliche Schaulust verdammt<br />

und sie schimpfend in ihre Zimmer zurückdirigiert, und bevor sich<br />

eine erneute Gelegenheit ergab, war der Leichnam schon in Tücher<br />

gehüllt auf einen Karren verladen, um nach Oppède transportiert<br />

zu werden.<br />

Manchmal hatte Fabiou sich gefragt, was er beim Anblick eines<br />

Toten empfinden würde. Ehrfürchtige Scheu und fromme Andacht,<br />

Herr, nimm ihn in dein Reich auf und lass ihm die ewige<br />

Seligkeit zuteil werden? Entsetzen, Angst, Ekel, wie es Catarinos<br />

Freundinnen mit entsagungsvollem Augenaufschlag zu berichten<br />

pflegten – «Mir schwanden die Sinne vor Grauen, als ich in seine<br />

starren gebrochenen Augen blickte…»? Gefasste Ruhe, die ihn<br />

befähigen würde, umherstehende kreischende Weiber zu trösten<br />

– «Euer Gatte ist heimgegangen, meine Dame, Ihr habt mein tief<br />

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