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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Fabiou sah auf und blickte zunächst etwas irritiert drein, denn<br />

ringsum war keiner, die nächsten Festgäste standen min<strong>des</strong>tens<br />

vier Schritte entfernt. «Wer… hat das gesagt?», fragte er etwas<br />

dümmlich ins Leere.<br />

«Na, ich!», kam es erneut von oben. Von ziemlich weit oben.<br />

Fabiou legte den Kopf in den Nacken. Zwischen den Ästen <strong>des</strong><br />

Baumes, unter dem er sich befand, war ein rundliches Gesicht erschienen.<br />

Er hatte sich offensichtlich genau den Baum ausgesucht,<br />

den Henric de Navarra sich als Asyl erwählt hatte.<br />

«Ach, du b… Ihr seid es.» Himmel, wie spricht man einen noch<br />

nicht mal fünfjährigen Thronfolger an? «Ich schreibe. Gedichte,<br />

umgenau zu sein.»<br />

«Gedichte? Ehrlich?» Henric lehnte sich so weit vor, dass der Ast,<br />

auf dem er saß, gefährlich wippte. «Meine Oma hat auch Gedichte<br />

geschrieben. Aber auf Französisch», meinte er. Fabiou musste<br />

sich konzentrieren, ihn zu verstehen, er sprach mit ausgeprägtem<br />

Béarner Akzent.<br />

«Ich schreibe auch auf Französisch», stellte Fabiou klar.<br />

«Echt? Du kannst Französisch?» Auf Henrics Gesicht war ein<br />

bewundernder Ausdruck erschienen.<br />

«Natürlich. Ihr nicht?», fragte Fabiou erstaunt. Immerhin war<br />

das ein Neffe <strong>des</strong> französischen Königs.<br />

«Doooch…», meinte Henric gedehnt. «Aber noch nicht so gut.»<br />

Er kletterte noch weiter nach vorne. Der Ast bog sich zunehmend<br />

nach unten. «Was schreibst du denn für Gedichte?», fragte er<br />

neugierig.<br />

«Eine Ballade schreibe ich», antwortete Fabiou wichtig. «Über<br />

den Mordfall, der Ais zurzeit in Atem hält.» Das war natürlich eine<br />

maßlose Übertreibung, aber es klang großartig.<br />

«Ein Mord?» Henrics Augen wurden groß wie Fassgauben.<br />

«Zwei Morde sogar», erklärte Fabiou. «Ein deutscher Kaufmann<br />

und ein Augustinermönch aus Ais.»<br />

Der Ast knackte jetzt bedenklich, und Fabiou zog unbehaglich<br />

den Kopf ein, doch Henric schwang sich bereits flink wie ein Affe<br />

nach unten und plumpste neben ihm ins Gras. «Und wer hat sie tot<br />

gemacht?», fragte er aufgeregt.<br />

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