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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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te erzählen: Euer Vater hat nichts getan, <strong>des</strong>sen ihr euch schämen<br />

müsstet. Ganz im Gegenteil!»<br />

«Wie meint Ihr das?», fragte Cristino, ermutigt von Beatrix’ Reaktion<br />

auf Catarinos Ausbruch.<br />

«Nun, oberflächlich betrachtet haben euer Onkel und eure Tante<br />

durchaus recht: euer Vater hat in der Tat Menschen vor Gericht<br />

vertreten, die Leute wie sie nur als Abschaum betrachten. Ar me,<br />

die sich keinen Anwalt leisten konnten, Bauern, Tagelöhner, Bettler,<br />

<strong>Die</strong>nstboten, Witwen. Darunter sicher viele, die tatsächlich<br />

straffällig geworden waren, die gestohlen oder betrogen hatten,<br />

aber nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Not heraus. Es gibt Menschen<br />

in dieser Stadt, für die stehlen oder nicht stehlen eine Frage<br />

von Leben und Tod ist, <strong>Kinder</strong>. Euer Vater hat versucht, diesen<br />

Menschen zu helfen, indem er sie vor Gericht verteidigte. Oftmals<br />

auch erfolgreich, auch in unserem Parlament sitzen ja nicht nur<br />

Granitstatuen, sondern ab und zu auch ein paar Menschen, die seinen<br />

Argumenten durchaus zugänglich waren. Aber denjenigen im<br />

Parlament, die die harte Linie vertraten, war er natürlich ein Dorn<br />

im Auge.»<br />

«So wie Maynier?», fragte Fabiou. La dureté, si elle avait un<br />

nom.<br />

Tante Beatrix’ Augen flackerten. Für einen Moment lag ein Ausdruck<br />

darinnen, den Fabiou noch nie im Blick eines Menschen gesehen<br />

hatte. «Ja. So wie Maynier», entgegnete sie.<br />

«Ist es wahr, dass er auch Protestanten verteidigt hat?», fragte<br />

Cristino ungläubig.<br />

«Natürlich ist es wahr», sagte Tante Beatrix. «Warum, stört dich<br />

das?»<br />

«Nun – dassindschließlich Ketzer!»<br />

«Mein liebes Kind», sagte Beatrix kühl, «ich bin nun wirklich<br />

eine strenggläubige Tochter der katholischen Kirche, aber die protestantische<br />

Religion abzulehnen und Menschen, die diesem Glauben<br />

anhängen, grausam zu verfolgen und zu töten, ist meines Erachtens<br />

wirklich zweierlei. Unser Glaube, der katholische Glaube,<br />

ist die Religion von der Liebe, der Verzeihung, der Gnade gegenüber<br />

jedem Menschen, und gerade dem Menschen, der einem Irrtum<br />

aufsitzt und eine Verfehlung begangen hat. Das ist es, was<br />

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