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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Sie schnitt eine Grimasse, als sie ihr Spiegelbild erblickte. Victor<br />

hatte ihr weder genehmigt, ihre Haare zu frisieren noch Puder aufzulegen.<br />

Auf ihrer Backe prangte ein hässlicher roter Pickel, und<br />

ihre Frisur war das pure Grauen. Sie sah einfach entsetzlich aus.<br />

Und dann hörte sie das Geräusch.<br />

Das Geräusch von Wasser,das in ein Becken plätscherte. Das Geräusch<br />

eines Springbrunnens, hallenddurch einen Innenhof.<br />

Cristino starrte in den Spiegel, starrte in ihr eigenes, bleiches<br />

Gesicht, aus dem weit und panisch ihre Augen zurückblickten,<br />

und darunterdas Medaillon um ihren Hals,das Medaillon mitder<br />

zarten Maria und dem hübschen Jesuskind, auf <strong>des</strong>sen Rückseite<br />

eingraviert war, sie beschütze dich, Agnes, Sonne unseres Lebens.<br />

Ganz langsam ließ sie sich in die Knie sinken und starrte<br />

auf die untere Leiste <strong>des</strong> Spiegelrahmens, auf der in Augenhöhe<br />

eines vierjährigen Kin<strong>des</strong> zwei liegende goldene Löwen einander<br />

anblickten, die Mäuler aufgerissen, die langen Reißzähne drohend<br />

entblößt. Und ihr Blick ging nach links, und ein unartikuliertes<br />

Stöhnen drang aus ihrem Mund, denn dort im Spiegel neigte sich<br />

eine Nymphe aus weißem Marmor zu ihr nieder, reckte anmutig<br />

ihre Hand in den Glanz <strong>des</strong> abnehmenden Mon<strong>des</strong>, der die meanderförmige<br />

Zierleiste ander Decke versilberte.<br />

Nein,dachte Cristino. Oh mein Gott, nein!<br />

Guten Abend, Agnes, lächelte die steinerne Nymphe. Willkommen<br />

daheim!<br />

Sie stolperte rückwärts. In ihren Ohren rauschte das Blut lauter<br />

als die Aigo Bruno in der Coumbo.<br />

Neiiiin! Es ist ein Traum! Es muss ein Traum sein! Eskann nicht<br />

sein, dass das wirklich ist! Es kann nicht sein, dass ich wirklich<br />

dort bin! Es gibt keine Geister! Es kann nicht sein! Es gibt keine<br />

Geister!<br />

Schritte auf dem Gang, Victor, über Marmorplatten kam er auf<br />

sie zugerannt, «Cristino, schnell!», keuchte er. Sie stand wie erstarrt.<br />

«Victor», wimmerte sie, «oh Gott, Victor, das ist der Gang,<br />

der Gang aus meinem Traum, oh Gott, Victor!»<br />

Und hinter ihnenflog die Tür auf.<br />

Vier Männer. Ganz vorne der Kahle, den blanken Degen in der<br />

Hand, dahinter drei Landsknechte mit gezogenen Schwertern.<br />

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