04.11.2013 Aufrufe

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

eichend, dass sie Alessias weißumbauschte Gestalt dort erkennen<br />

konnte. Cristino ließ die Tür los, sie musste zu Alessia, wenn sie<br />

Alessia erreichte, war allesgut, auch wenn sie sterben musste, aber<br />

wenigstens war sie dann nicht mehr allein! Sie stürzte zum Diwan.<br />

«Alessia!», schrie sie.<br />

Alessia regte sich nicht.<br />

Cristino packte sie an den Schultern, schüttelte sie. «Alessia,<br />

wach auf, schnell, da sind Leute, die wollen mich umbringen!»<br />

Alessia regte sich nicht. Ihr Kopf pendelte haltlos an ihrem Hals.<br />

Cristino schrie. Sie schrie und kreischte und heulte und schüttelte<br />

Alessia, bis ihre Hände klebrig und nass waren von dem<br />

lauwarmen Blut, das Alessias Kleid durchtränkte, und auch dann<br />

schüttelte sie weiter, bis sie endlich begriff, Alessia war tot.<br />

***<br />

Sie standen still vor dem Diwan wie eine Trauergemeinde, die Barette<br />

in ihren Händen, die Augen auf das dunkelhaarige Mädchen<br />

gerichtet, das da in einem blutbefleckten weißen Kleid vor ihnen lag<br />

und selbst im Tod noch so schön war, dass dem einen oder anderen<br />

die Knie zitterten, und Laballefraou fühlte sich zu seinem eigenen<br />

Entsetzten an diesen alten <strong>Kinder</strong>reimerinnert – noir de poix, rouge<br />

de sang, blanc de neige, Marie te protège – schwarz wie Pech, rot<br />

wie Blut, weiß wie Schnee, Maria schützt dich. Laballefraou, der in<br />

seinen jungen Jahren schon so einiges Erschrecken<strong>des</strong>, Ekliges und<br />

Grausamesgesehen hatte, war nahe daran, sich zu übergeben.<br />

«Wie vergänglich doch alles ist.» Laballefraou sah irritiert zur<br />

Seite. Sein Amtsbruder Albin hatte den Kopf schräggelegt. «Welch<br />

Schönheit, welch frisch erblühte Rose, welch unschuldiges, reines<br />

Geschöpf – und schon streckt der grausame Tod seine Hand nach<br />

ihm aus!» Und mit einem tiefen, schmerzlichen Seufzer deklamierteer:<br />

«Corps femenin, qui tant es tendre,<br />

poly, souef, si precieux,<br />

te fauldra il ces maux attendre?<br />

Oy, ou tout vif aller es Cieulx!<br />

597

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!