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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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symptomatisch für Onkel Philomenus’ Weltbild. Andere hatten<br />

daranbestenfalls als Randdekoration Platz.<br />

«Der Viguié ist sehr beschäftigt…», begann der Schreiber, doch<br />

mit solchen Argumenten war einem Senher Philomenus d’Auban,<br />

der immerhin einen Sitz im Conseilde Ville innehatte und ein persönlicher<br />

Freund <strong>des</strong> dritten Parlamentspräsidenten war, nicht beizukommen.<br />

«Beschäftigt? Während unsere Frauen und <strong>Kinder</strong> von<br />

Mordbuben entführt werden? Während friedliche Reisende von<br />

Raubgesindel auf offener Straße erschlagen werden, amhelllichten<br />

Tage?»<br />

Fabiou seufzte tief. Ihre Ankunft in Ais hatte sich anders gestaltet<br />

als erwartet; ihnen war nicht viel Zeit geblieben, die Wunder<br />

der großen Stadt zu bestaunen, die tiefen Straßenschluchten, die<br />

hohen Gebäude, die um so vieles eleganter und nobler schienen als<br />

die Häuser, die sie aus Ate kannten, die unzähligen Menschen jeden<br />

Alters und Stan<strong>des</strong>, die sichdurchdie Gassen drängten. Onkel<br />

Philomenus hatte schon wartend in der Einmündung der Carriero<br />

de Jouque gestanden, als sie in ihrer Kutsche die Carrierodis Noble<br />

heruntergezuckelt waren. Frederi, der Geistesmensch, war vorausgeritten,<br />

kaum dass sie Ais erreichten, um ihr Kommen anzukündigen,<br />

und erwartungsgemäß hatte das Empfangskomitee bereitgestanden:<br />

Oma Felicitas, auf ihren Stock gestützt, in eines ihrer<br />

cremefarbenen, kragenlosen Kleider gehüllt, die ungefähr seit der<br />

Jahrhundertwende außer Mode waren, die Lider um ihre kurzsichtigen<br />

Augen zusammengekniffen, dass sich ihre Stirn in tausend<br />

Fältchen kräuselte, Tante Eusebia, die die Hände in die Luft warf<br />

wie ein Klageweib, das einem Leichenzug folgt, Cousin Theodosius<br />

mit buttercremeverschmiertem Mund und glotzenden Augen.<br />

Dank sei Gott, dass ihr hier seid, Dank sei Gott, quiekte Tante Eusebia<br />

mit schriller Stimme und bekreuzigte sich ungefähr dreißig<br />

Mal, während Onkel Philomenus der Dame Castelblanc mitdüsterem<br />

Gesicht die Hand reichte und sagte, ein schwerer Tag, geliebte<br />

Schwester, lass mich dich ins Haus geleiten, als habe sie soeben einen<br />

lieben Angehörigen verloren. Seine Frau folgte ihm, wobei sie<br />

wie eine angeschossene Rebhenne um die Dame Castelblanc herumhüpfte<br />

und Dank sei Gott, Dank sei Gott deklamierte, bis Oma<br />

Felicitas sie anfuhr, wenn sie Gott danken wolle, dann solle sie ge-<br />

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