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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Fabiouglättete seine Haare mit den Händen und drückte sich die<br />

Mütze auf den Kopf. «Ich rede da drinnen und sonst niemand, habt<br />

ihr verstanden?»<br />

Während Fabiou auf das Tor zuschritt, versuchte er sich vorzustellen,<br />

wie oft sein Vater vor dreißig Jahren wohl diese Kirche<br />

betreten hatte. Wie ihm jeder Stein, jede Unebenheit auf den Treppenstufen,<br />

jede Szene in dem gigantischen Relief, in dem sich das<br />

Tor zur Kirche öffnete, im Schlaf vertraut gewesen sein musste.<br />

Anheimelnd vertraut? Abstoßend vertraut? War sein Vater hier<br />

glücklich gewesen? Er starrte auf das Relief, das sich wie ein riesiger<br />

Fächer um das Hauptportal ausspannte. Ein ähnliches hatte<br />

Sant Sauvaire auch. Das jüngste Gericht. Zur Linken die geretteten<br />

Seelen, rechts die Verdammten. Eine steinerne Kette fesselte<br />

sie aneinander. Fabiou schüttelte heftig den Kopf und betrat die<br />

Kirche.<br />

Drinnen kämpften flackernde Kerzen gegen ein Dunkel so tief<br />

wie die Nacht. Eine Gruppe von Knaben in schwarzen Um hän gen<br />

filierte an einer Marienstatue vorbei und setzte sich in die zweite<br />

Reihe der Sitzbänke. <strong>Die</strong> Schüler von St. Trophimus. <strong>Die</strong> Elite von<br />

morgen. <strong>Die</strong> Schule hat einen sehr guten Ruf.<br />

Auch sein Vater war einst in so einem schwarzen Umhang in<br />

dieser Bank gesessen. Sein Vater und Frederi. Frederi. Der Name<br />

war wie ein schlechter Geschmack auf der Zunge. Frederi hatte ihn<br />

dreizehn Jahre seines Lebens angelogen.<br />

Er fand, was er suchte, nach wenigen Sekunden: Ein Mönch, der<br />

in der Reihe hinter den Knaben saß, offensichtlich, um ein Auge<br />

auf sie zu haben. Fabiou winkte Loís und Frederi Jùli hinter sich<br />

und schritt auf den Mönch zu. «Entschuldigt», sagte er.<br />

Der Mönch sah ungnädig auf. «Ihr stört bei der Andacht.»<br />

«Ich suche den Leiter dieser Schule», erklärte Fabiou, als sei dies<br />

die natürlichste Sache der Welt. Der Mönch betrachtete ihn einen<br />

Moment lang prüfend. Offenbar überlegte er sich, was so ein junger<br />

Bursche von einer so hochgestellten Persönlichkeit wollen könnte.<br />

«Fragt Bruder Thomas», knurrte er dann. «Er ist in der Sakristei.»<br />

Er wies nach rechts. «Da drüben.»<br />

«Danke schön», sagte Fabiou. Zwanzig Köpfe über schwarzen<br />

Umhängen wandten sich in ihre Richtung und sahen ihnen nach.<br />

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