04.11.2013 Aufrufe

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

«Tante Beatrix –», begann er. Er sprach nicht weiter. Ihre Augen<br />

würgten jede Frage ab. Langsam, tastend legte sie ihren Arm um<br />

seine Schulter, und Fabiou zuckte zusammen, als sich ihre Finger<br />

in seinen Oberarm gruben. «Siehst du das?», hauchte sie. «Seine<br />

Hände?» Fabiou starrte auf Mayniers Hände. <strong>Die</strong> Sonne schickte<br />

ihre letzten glühenden Strahlen über den Horizont und tauchte sie<br />

in düsteres Rot.<br />

Und auf einmal spürte Fabiou, wie namenloses Grauen von ihm<br />

Besitz ergriff. Schlimmer als die Panik, die er auf der nächtlichen<br />

Straße im Angesicht <strong>des</strong> Kahlkopfes verspürt hatte, schlimmer a ls<br />

die Angst in der tödlichen Ruhe im Haus <strong>des</strong> Notars. Es war, als<br />

übertrage sich aus Beatrix’ verkrampften Fingern etwas auf ihn,<br />

ein Horror, der an Wahnsinn grenzte, und für einen Moment war<br />

er kurz davor, die Arme über den Kopf zu sc hla gen und zu schreien,<br />

bis seine Stimmbänder rissen.<br />

«Blut», sagte Beatrix und lachte, wie nur ein Wahnsinniger oder<br />

ein Mensch im Angesicht <strong>des</strong> To<strong>des</strong> lachen konnte. «An seine Händen<br />

klebt Blut.»<br />

Fabiou riss sich los von ihr. Der Boden schlug langsame Wellen<br />

wie das Meer bei Ebbe. Hinter der Friedhofsmauer versank die<br />

Sonne, und es wurde Nacht.<br />

***<br />

In den folgenden Tagen musste Fabiou zu seinem Erstaunen feststellen,<br />

dass seine Schwestern sich neuerdings nicht mehr nur für<br />

Jungs, Kleider und Ronsard zu interessieren schienen, sondern<br />

sich in der Tat mit ernsthafteren Themen auseinandersetzten.<br />

Nicht nur, dass sie seine Nachforschungen plötzlich mit großem<br />

Interesse verfolgten; beide stellten auch, jede auf ihre Art, eigene<br />

Untersuchungen an. Cristino vergrub sich zunehmend in ihre medizinischen<br />

Bücher, und das, obwohl es ihr mittlerweile selbst unrealistisch<br />

vorkam, Agnes auf medizinischem Weg loszuwerden.<br />

Momentan war sie geradezu fanatisch von der Theorie der Wahrsagerin<br />

überzeugt, dass sie Agnes’ Mörder finden musste, um dem<br />

armen Geist <strong>des</strong> Mädchens die verdiente Erlösung zu verschaffen.<br />

Dennoch, statt zu sinken stieg ihr Interesse für ihre «komischen<br />

559

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!