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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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«Das Essen ist angerichtet!», sagte Oma Felicitas. «Kommt endlich,<br />

das Zeug war teuer, ich will nicht, dass es kalt wird!» Oma<br />

Felicitas war ein herrisches altes Weib, das ihre Tochter und sogar<br />

ihren Sohn rücksichtslos herumkommandierte. <strong>Die</strong>s war<br />

nicht wirklich ungewöhnlich; der Respekt gegenüber ihren Eltern<br />

bedingte, dass viele Männer von ihrer Mutter einen Ton akzeptierten,den<br />

sie keiner anderen Frau – schon gar nicht ihrer Ehefrau<br />

– zugestanden hätten. Und viele alte Frauen, die ein Leben lang unter<br />

der Bevormundung durch ihren Gatten gelitten hatten,freuten<br />

sich insgeheim auf ihren Witwenstand, in dem ihnen als Mutter<br />

eines Sohnes eine machtvolle Stellung sicher war. Dennoch fragte<br />

sichdie Dame Castelblanc gelegentlich, obdas unziemliche Verhalten,<br />

das Catarino so oft an den Tag legte, vielleicht doch mehr war<br />

als eine Folge der ungeschliffenen Sitten aufdem Lande. Ob sie am<br />

Ende einfach nach ihrer Großmutterkam.<br />

<strong>Die</strong> Tischgesellschaft war ausgesprochen heterogener Stimmung<br />

an jenem Nachmittag. Hungerhatten alle, und Oma Felicitashatte<br />

eine der besten Köchinnen in ganz Ais, es schmeckte ohne Frage.<br />

Dennoch gab es den einen oder anderen, der alles andere als guter<br />

Laune war. In der Tat, wenn man von der Dame Castelblanc und<br />

Catarino sowie dem tüchtig dreinhauenden Frederi Jùli absah, war<br />

die Stimmung insgesamt ziemlich gedrückt. Cristino war nicht die<br />

einzige, die mit einem äußerst miesepetrigen Gesichtsausdruck an<br />

der Tafel saß.<br />

«Bei Gott, hat es euch die Rosen verhagelt, oder was?», fragte<br />

Oma Felicitas missmutig. «Sancta Maria mater misericordiae, so<br />

ein schönes Essen, und ihr hockt da als wären’s Läuse und Flöhe,<br />

die ich euch auftische.»<br />

«<strong>Die</strong>ser Hundsfott von einem Aktenwurm!» Onkel Philomenus<br />

knallte das Messer aufden Tisch,das er soeben in den Braten hatte<br />

spießen wollen. «Ich mache ihm eine Mitteilung,diedie Sicherheit<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> betrifft, und was sagt er? ‹Ob ihr’s glaubt oder nicht,<br />

ichhabe etwas anderes zu tun, als irgendwelchen Räubern nachzulaufen.›»<br />

Er versuchte bei diesen Worten,den Tonfall <strong>des</strong> Viguié zu<br />

imitieren,der Falsett, in den er dabei verfiel,hätte aber eher einem<br />

Kastraten geziemt als Mèstre Crestin. «Verflucht, das kommt da-<br />

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