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Die Kinder des - Verlag Josef Knecht

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Bruder Thomas schmetterte gerade ein hingebungsvolles <strong>Die</strong>s<br />

irae, als die drei die Sakristei betraten. Der Gesang riss mit einem<br />

Misston bei dem Wort ‹creatura› ab. Er legte das Tuch aus der Hand,<br />

mit dem er gerade eben noch eine Orgelpfeife abgerieben hatte.<br />

Fabiou fragte sich spontan, ob dies eine der Orgelpfeifen war, an<br />

der sein Onkel seine akustischen Experimente durchgeführt hatte.<br />

«Ja-a?», fragte er.<br />

«Bruder Thomas?» Fabiou richtete sich zu seiner vollen Größe<br />

auf und versuchte, ein möglichst erwachsenes Gesicht zu machen.<br />

«Ja, de-er bin iiich.» Auch wenn Bruder Thomas sp rach, klan g es,<br />

als ob er einen liturgischen Gesang intonierte.<br />

«Fabiou de Bèufort, Adlatus <strong>des</strong> Notars Gastou Austelié zu Ais»,<br />

stellte Fabiou sich ohne mit einer Wimper zu zucken vor. «Ich muss<br />

Euch in einer dringenden Angelegenheit sprechen.»<br />

«Ja-a? Worum ge-het es?» Bruder Thomas schien es nicht weiter<br />

ungewöhnlich zu finden, dass ein Adliger als Angestellter eines<br />

Notars auftrat.<br />

«Notar Austelié vertritt die Belange dieses jungen Waisen.» Er<br />

wies auf Frederi Jùli. «Das arme Kind hat schon im Säuglingsalter<br />

beide Eltern verloren und wurde offensichtlich von geldgierigen<br />

Verwandten in ein Waisenhaus abgeschoben.» Er bedachte Frederi<br />

Jùli mit einem «ein falsches Wort und du bist tot»-Blick. Doch Frederi<br />

machte keine Anstalten, querzuschießen, sondern setzte eine<br />

Trauermiene auf, wie es sich für eine arme, abgeschobene Waise<br />

gehört.<br />

«Von seinen Eltern wissen wir nur die Vornamen und dass sie in<br />

Ais lebten», fuhr Fabiou fort. «Nun mehren sich die Hinweise, dass<br />

der Junge aus reichem, eventuell sogar adligem Hause stammt,<br />

weshalb ein Gönner <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> den Fall an Notar Austelié herantrug,<br />

der nun versucht, die Identität der Eltern <strong>des</strong> Knaben zu<br />

klären.» Er holte Luft, um die traurige Geschichte auf den Bruder<br />

wirken zu lassen, der in der Tat bereits ein äußerst mitfühlen<strong>des</strong><br />

Gesicht machte. Offensichtlich stieß er sich nicht an der Tatsache,<br />

dass Frederi Jùli für ein armes Waisenkind extrem gut gekleidet<br />

war. «Wir sind nun bei unseren Nachforschungen auf den Namen<br />

dieser Schule gestoßen», sagte Fabiou dann. «Wie es scheint, hat<br />

der Vater <strong>des</strong> Jungen sie als Knabe besucht, vor etwa dreißig Jahren<br />

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