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Landtag von Baden-Württemberg Bericht und Beschlussempfehlung

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<strong>Landtag</strong> <strong>von</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> Drucksache 13 / 4850<br />

292<br />

den der Fragesteller gerade genannt habe, nicht. Er lese üblicherweise zunächst<br />

den Strafbefehlsantrag <strong>und</strong> dann die Akte, um zu sehen, ob sich der Tatvorwurf,<br />

der im Strafbefehl gemacht werde, in der Akte wieder finde. Wenn das so sei,<br />

dann erlasse er den Strafbefehl. Wenn es nicht passe oder wenn es noch auf Zeugenaussagen<br />

ankomme, dann sei er in einzelnen Fällen so verfahren, dass er, statt<br />

den Strafbefehl zu erlassen, Termin zur Hauptverhandlung bestimmt habe. Auf<br />

den Vorhalt, dass dies sozusagen zugunsten des Beschuldigten sei <strong>und</strong> ob er umgekehrt<br />

sich auch schon einmal gesagt habe: „Na ja, also die Staatsanwaltschaft<br />

lässt den aber hier billig wegkommen, das kann ich so nicht akzeptieren, da muss<br />

in einer Hauptverhandlung der Vorwurf geklärt werden“, erwiderte der Zeuge,<br />

also die Staatsanwaltschaft <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong> sei ihm jetzt aus seiner neunjährigen<br />

Praxis bislang noch nicht dadurch bekannt geworden, dass er sage: „Sollen das<br />

jetzt Sonderangebotswochen sein?“ Also eher, dass er manchmal denke: „Das ist<br />

vielleicht ein bisschen hoch gegriffen“. Aber dann sei es ja wiederum Sache des<br />

Angeklagten, gegebenenfalls Einspruch einzulegen. Den Erlass eines Strafbefehlsantrags<br />

mit der Begründung abgelehnt: „Die Strafe, die hier beantragt ist, ist zu<br />

gering“, das habe er in neun Jahren nicht getan.<br />

Auf den Vorhalt, dass er also unter dem Gesichtspunkt „Das muss in jedem Fall<br />

in einer öffentlichen Hauptverhandlung geklärt werden“ noch keine öffentliche<br />

Hauptverhandlung angeordnet habe, erläutert der Zeuge, dass das Gesetz das<br />

Strafbefehlsverfahren ausdrücklich dafür vorsehe, dass man einem Angeklagten<br />

auf diese Art <strong>und</strong> Weise die Hauptverhandlung erspare. Wenn ein Strafbefehlsantrag<br />

vorliege, zu sagen: „Das muss aber verhandelt werden“, einfach nur, damit<br />

der an die Öffentlichkeit gezerrt werde <strong>und</strong> die Öffentlichkeit da<strong>von</strong> erfahre, also<br />

er glaube, das finde sich im Gesetz so nicht. Das sei nicht der Gedanke, der hinter<br />

diesem ganzen Strafbefehlsverfahren stehe. Der Zeuge bemerkte ergänzend, 720<br />

Tagessätze à 3.400, also knapp zweieinhalb Millionen, das sei die Höchstzahl, die<br />

man im Strafbefehlswege verhängen könne. Er könne sich in der ganzen Zeit<br />

nicht daran erinnern, dass er mal dieses gesetzliche Höchstmaß ausgeschöpft habe,<br />

mit dieser einen Ausnahme.<br />

Er wäre nicht auf die Idee gekommen, zu sagen „Das ist zu wenig, das muss verhandelt<br />

werden“. Das hätte man nur verhandeln können mit dem Ziel, dass da<br />

eine Freiheitsstrafe zu verhängen sei. Er habe jetzt die Registerauszüge nicht im<br />

Kopf, aber wenn der Angeklagte nicht vorbestraft sei, dass man da gleich zu einer<br />

Freiheitsstrafe auf Bewährung komme, sei nicht der Regelfall.<br />

Er meine auch, dass er, wenn er sage: „Das muss verhandelt werden, damit die<br />

Öffentlichkeit da<strong>von</strong> erfährt, dass dieser Mann blamiert wird vor der Presse“, das<br />

sei durchaus angreifbar. Das würde ihm zumindest im Falle einer Dienstaufsichtsbeschwerde<br />

dieses Angeklagten mit Sicherheit eine Rüge eintragen, weil er das<br />

gar nicht begründen könnte. Auf die Frage, ob er nicht meine, dass das zu seiner<br />

richterlichen Unabhängigkeit gehöre, antwortete der Zeuge, also Gründe für<br />

dienstliche Rügen zu schaffen, sicherlich nicht.<br />

Auf die weitere Frage, ob er schon mal erwogen habe, ob er bei einer Steuerhinterziehung<br />

dieser Dimension <strong>und</strong> dem Unrechtsgehalt, der sich hier in der Strafe<br />

in Höhe <strong>von</strong> Zweijahreseinkommen ausdrücke, überhaupt die richtige Adresse als<br />

Einzelrichter gewesen sei, sagte der Zeuge, solange es sich um ein Vergehen<br />

handle, sei er als Strafrichter am Amtsgericht zuständig, es sei denn, es sei eine<br />

Freiheitsstrafe <strong>von</strong> mehr als zwei Jahren zu erwarten, dann wäre das Schöffengericht<br />

zuständig. Aber selbst wenn man <strong>von</strong> diesen Zweijahreseinkommen ausgehe,<br />

was ja einer Freiheitsstrafe <strong>von</strong> zwei Jahren entspreche, sei er immer noch zuständig.<br />

Auf den Einwand, dass er sich also an den Vorstellungen des Staatsanwalts<br />

orientiere, erwiderte der Zeuge, mit einer gewissen beruflichen Erfahrung<br />

habe er gelernt, was es an Spielregeln gebe, die letztendlich ja auch durch die<br />

obergerichtliche Rechtsprechung geprägt worden seien, dass man also gegen jemanden,<br />

der keine Vorstrafen habe, nicht ohne Weiteres eine Freiheitsstrafe <strong>und</strong><br />

dann auch nicht unbedingt eine, die zwei Jahre übersteige, verhänge. Da mache es<br />

auch keinen Sinn nachdem er wisse, dass der Schöffenrichter am Amtsgericht <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong><br />

das sehr genau überprüfe, ob er zuständig sei oder nicht, die Akte dem<br />

Schöffengericht vorzulegen. Wenn er dies getan hätte, hätte er sie wieder bekommen,<br />

da habe er überhaupt keinen Zweifel dran. Das würde nur dazu führen, dass<br />

die Verfahrensakte einige Wochen durchs Haus kreise <strong>und</strong> anschließend wieder<br />

auf seinem Schreibtisch liege. Darin sehe er keinen Sinn.

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