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Landtag von Baden-Württemberg Bericht und Beschlussempfehlung

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<strong>Landtag</strong> <strong>von</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> Drucksache 13 / 4850<br />

ser Geburtstag, anlässlich seiner Vorführung wurde seiner Tochter erlaubt, ihn zu<br />

besuchen. Diese hatte für den Vater einen Kuchen gebacken, welchen Herr<br />

Dr. Kleiser nach der Vorführung mit in die JVA Heidelberg nahm“ (vgl. Bd. 1 Cs<br />

201 Js 12386/00 Bl. 407 ff.).<br />

Ganz ähnlich schilderte EKHK Nagel in der 23. UA-Sitzung die <strong>von</strong> ihm wahrgenommene<br />

Atmosphäre bei den staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen des Manfred<br />

Schmider: „Das war eigentlich auch das Vorgehen, das Zulassen <strong>von</strong> bestimmten<br />

Dingen bei Vernehmungen wie zum Beispiel das Telefonieren Schmiders<br />

während der Vernehmungspausen auf dem Gang, dann die Zuführung <strong>von</strong><br />

Familienangehörigen ohne Bewachung, das war für mich etwas, das ich nicht akzeptieren<br />

konnte als Kriminalbeamter. Aber Dr. Hofmann meinte ja, (...) es wäre<br />

ihm lieber, einen entspannten Schmider zu haben bei der Vernehmung, als wenn<br />

er anfängt zu heulen. [...] Kollegen, die auch hingegangen sind, haben die Vernehmung<br />

als ‚Kaffeekränzchen‘ bezeichnet. Da kamen die Verteidiger immer, da<br />

gab es Kaffee, dann wurden auch ‚Belegte‘ geholt oder Würste geholt für Schmider<br />

<strong>und</strong> Kleiser. Dann wurde eine gemütliche Vernehmungsatmosphäre geschaffen“<br />

(vgl. Apr. 23. UA-Sitzung S. 53, 56 f.).<br />

Anders stellt sich die Vernehmungssituation anhand einer dienstlichen Stellungsnahme<br />

des Dezernenten StA (GL) Dr. Hofmann v. 22. Januar 2002 gegenüber<br />

dem LG <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong> dar. StA Dr. Hofmann führt dort aus: „War Manfred<br />

Schmider mit seinen Anwälten zusammen, stand er unter Beobachtung; wenn<br />

vom Unterzeichner der Besuch eines Familienangehörigen genehmigt war, wurde<br />

dies <strong>von</strong> einem Beamten überwacht. Gefesselt war Herr Schmider tagsüber nicht.<br />

Hierzu bestand keine Veranlassung. ... [...] Dessen ungeachtet konnte sich Herr<br />

Schmider im Gebäude der StA MA [...] nicht völlig frei bewegen. Musste Herr<br />

Schmider die Toilette aufsuchen, musste er einen Stock tiefer gehen, aus praktischen<br />

Gründen ungefesselt, allerdings stets in Begleitung eines Beamten. Frei<br />

bewegen – unter Beobachtung – konnte sich Herr Schmider somit auf dem Flur<br />

der hiesigen Abteilung [...] <strong>und</strong> im Vernehmungsraum“ (vgl. Bd. 1 Cs 201 Js<br />

12386/00 Bl. 477 ff.). Auch in der 23. UA-Sitzung beschrieb StA (GL) Dr. Hofmann<br />

die Vernehmungen des Untersuchungsgefangenen Manfred Schmider in der<br />

StA MA ähnlich: „... Ich habe zwei oder drei Telefonate per Handy gestattet. Der<br />

Anlass war entsprechend (...). Ich stand bei diesen zwei – mindestens zwei – Telefonaten<br />

daneben. Ich hab da selbst mitgehört, um das klar zu sagen. Ich kann<br />

nicht ausschließen, will aber auch niemanden beschuldigen oder hier daneben liegen,<br />

(...) dass bei der (...) Vielzahl der Vernehmungspausen (...), dass da einer der<br />

Verteidiger – sie waren ja dann unter sich –, dass da ein Verteidiger das Handy<br />

gereicht hat. [...] Darauf hab ich keinen Einfluss. [...] Wenn ein Familienangehöriger,<br />

wenn dem der Besuch erlaubt wird, dann gab es dafür auch einen Anlass. Die<br />

Besuche waren nicht unbeaufsichtigt. Das halte ich für ausgeschlossen. Es waren<br />

ja jedes Mal mindestens zwei Ermittlungsbeamte da“ (vgl. Apr. 23. UA-Sitzung<br />

S. 137).<br />

Wie genau sich die Beschuldigtenvernehmungen des Untersuchungsgefangenen<br />

Manfred Schmider in den Räumen der StA MA gestalteten, konnte im UA Flow-<br />

Tex nicht mehr im Einzelnen zweifelsfrei festgestellt werden. In jedem Fall ist<br />

aber bei einer Bewertung der Vernehmungssituationen zu berücksichtigen, dass<br />

Untersuchungsgefangenen ein besonderer Freiheitsspielraum garantiert ist (vgl.<br />

Boujong in KK-StPO, 5. Aufl., 2003, § 119 Rn. 65): Beschränkungen im Sinne<br />

des § 119 III StPO dürfen nur auferlegt werden, soweit sie für den Zweck der Untersuchungshaft<br />

(= in erster Linie die im Haftbefehl genannten Haftgründe) oder<br />

die Ordnung in der Vollzugsanstalt „unvermeidlich“ sind (vgl. BVerfGE, 42,<br />

95 ff., 100; Boujong in KK-StPO, 5. Aufl., 2003, § 119 Rn. 10; M-G, StPO,<br />

46. Aufl., 2003, § 119 Rn. 14). Dies folgt aus der für den Untersuchungsgefangenen<br />

geltenden Unschuldsvermutung (Art. 6 II MRK), die Gr<strong>und</strong>rechtseingriffe gegenüber<br />

Untersuchungsgefangenen in besonderem Maße dem Gebot der Verhältnismäßigkeit<br />

unterwirft. Daher sind Beschränkungen der Gr<strong>und</strong>rechte nur zulässig,<br />

wenn „konkrete Anhaltspunkte“ für eine Gefährdung des Haftzwecks oder<br />

eine Störung der Anstaltsordnung vorliegen (vgl. BVerfGE 35, 5 ff., 10; 42,<br />

234 ff., 236; Boujong in KK-StPO, 5. Aufl., 2003, § 119 Rn. 10 m.w.N.). Angesichts<br />

des Zwecks der U-Haft, „durch sichere Verwahrung des Beschuldigten die<br />

Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten oder der Gefahr<br />

weiterer Straftaten zu begegnen“ (vgl. Nr. 1 Abs. 1 UVollzO), <strong>und</strong> der für den Untersuchungsgefangenen<br />

geltenden Unschuldsvermutung kann das Herstellen einer<br />

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