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Landtag von Baden-Württemberg Bericht und Beschlussempfehlung

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<strong>Landtag</strong> <strong>von</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> Drucksache 13 / 4850<br />

2. Erkenntnisgewinn aus vorangegangenen Ermittlungen gegen Manfred<br />

Schmider wegen anderer Straftaten<br />

Der <strong>von</strong> KD Wintermantel vorgetragene Eindruck (vgl. Apr. 12. UA-Sitzung S. 4,<br />

9), Schmider sei für ihn angesichts <strong>von</strong> Ermittlungen Mitte der 70er-Jahre im Zusammenhang<br />

mit einem Gebrauchtwagenhandel ein „Betrüger“ gewesen, kann<br />

nicht zu einer Überführung <strong>von</strong> Manfred Schmider als Täter eines Raubes im Jahr<br />

1986 beitragen. Gleiches gilt im Hinblick auf das gem. § 153 a StPO 1994 <strong>von</strong> der<br />

StA <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong> eingestellte Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung<br />

betreffend Scheinrechnungen in Höhe <strong>von</strong> 247 Mio. DM (entgegen der Aussage<br />

<strong>von</strong> StA’in Scheck, APr. 13. UA-Sitzung S. 10, hat diese mit Schreiben der Steufa<br />

v. 30. April 1996 <strong>von</strong> dem gem. § 153 a StPO eingestellten Steuerstrafverfahren<br />

Kenntnis erlangt, vgl. LO 21 Js 16820/95 Bd. 8, Bl. 869) sowie im Hinblick auf<br />

das gem. § 170 II StPO eingestellte Vorermittlungsverfahren der StA KA wegen<br />

einer anonymen Anzeige v. 4. Mai 1996 betreffend das Schneeballsystem mit Horizontalbohrsystemen,<br />

<strong>von</strong> der StA’in Scheck ohnehin erst nach Ablauf des Jahres<br />

2000 Kenntnis erlangte (vgl. APr. 13. UA-Sitzung S. 27).<br />

Fraglich ist, ob es überhaupt zulässig ist, aus vorherigen Ermittlungsverfahren<br />

Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts oder sogar hinreichenden<br />

Tatverdachts anderer strafprozessualen Taten zu ziehen: Nahe liegend ist, dass<br />

Vortaten bei den sog. Vorfeld- <strong>und</strong> Vorermittlungen Berücksichtigung finden <strong>und</strong><br />

dazu dienen, sich ein denkbares „Bild“ <strong>von</strong> Tat <strong>und</strong> Täter zu verschaffen. Zweifel<br />

kommen aber auf, wenn Vortaten die Objektivität der Ermittlungen beeinflussen.<br />

Strafverfolgungsorgane sind bei ihren Ermittlungen zum einen an das Legalitätsprinzip<br />

(§ 152 II StPO) geb<strong>und</strong>en, was zwar einen Verfolgungszwang bedeutet,<br />

zum anderen haben sie bei ihren Ermittlungen gem. § 161 StPO das Rechtsstaatsprinzip<br />

zu beachten, das dem Gr<strong>und</strong>satz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens<br />

wiederum Grenzen setzt (vgl. auch Hassemer, NJW, 03, XIV, der ganz allgemein<br />

für einen stärkeren Schutz der Beschuldigten plädierte).<br />

Eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ist die Unschuldsvermutung<br />

gem. Art. 6 II MRK, die jeweils bei der dem Beschuldigten konkret zur Last gelegten<br />

Tat zu beachten ist <strong>und</strong> verlangt, „den Strafanspruch des Staates in einem justizförmig<br />

geordneten Verfahren durchzusetzen“ (vgl. BVerfGE 35, 311 ff., 320;<br />

BVerfG NJW 87, 2427; 90, 2741 ff., 2742; 03, 2444 ff., 2445). Das Verbot der Verdachtsstrafe<br />

gebietet eine „unvoreingenommene“ Behandlung des Beschuldigten<br />

während des Strafverfahrens (vgl. KK-StPO, 1999, Einl. Rn. 32 a; Kl/M-G, StPO,<br />

2001, A 4 Art. 6 MRK Rn. 12; Vogler, in: FS-Kleinknecht, 1985, S. 429 ff., 436)<br />

<strong>und</strong> will derart den Beschuldigten vor Nachteilen schützen, denen kein ordnungsgemäßes<br />

justizgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung vorausgegangen ist (vgl.<br />

BVerfG NJW 87, 2427; Vogler, in: FS-Kleinknecht, 1985, S. 429 ff., 436). Gerade<br />

Einstellungsbeschlüsse der Staatsanwaltschaft erfüllen diese Voraussetzung notwendiger<br />

Feststellung der Schuld nicht, auch nicht im Falle des § 153 a StPO (vgl.<br />

Vogler, in: FS-Kleinknecht, 1985, S. 429 ff., 436).<br />

Bloße Vermutungen zur Persönlichkeit können daher schon nicht zur Begründung<br />

eines Anfangsverdachts herangezogen werden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> hätten das 1994<br />

gem. § 153 a StPO eingestellten Strafverfahren wegen gestellter Scheinrechungen<br />

oder das eingestellte Vorermittlungsverfahren gegen Manfred Schmider wegen der<br />

anonymen Anzeige, eingegangen bei der StA Karlsruhe am 4. Mai 1996, eine Anklageerhebung<br />

nicht stützen können. Ohnehin wurde in der StA Karlsruhe Manfred<br />

Schmider ein inszenierter Raub <strong>von</strong> Beginn an durchaus zugetraut, weshalb er<br />

dort „bis heute verdächtig ist“ (vgl. OStA Armbrust APr. 10. UA-Sitzung S. 178,<br />

StA’in Scheck APr. 13. UA-Sitzung S. 31, OStA Hauer APr. 13. UA-Sitzung<br />

S. 125 ff.).<br />

Anklageerhebung gegen Manfred Schmider wegen einer Beteiligung an dem<br />

Raubüberfall im Mai 1986 war mithin aufgr<strong>und</strong> vertretbarer Prognose mangelnder<br />

Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht geboten (so in der Einschätzung auch<br />

OStA Klaiber APr. 13. UA-Sitzung S. 174 f., 179 ff.). Zu bedenken ist auch, dass<br />

bei übereilter Anklage nach erfolgter Eröffnung des Hauptverfahrens die Gefahr<br />

eines Freispruchs mit der Folge eines Strafklageverbrauchs bestand trotz jedenfalls<br />

bis zur Überprüfung des Sachverhalts durch den UA FlowTex Ende 2002<br />

noch nicht verjährter Straftat.<br />

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