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Landtag von Baden-Württemberg Bericht und Beschlussempfehlung

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<strong>Landtag</strong> <strong>von</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> Drucksache 13 / 4850<br />

XIV. Bewertung des Untersuchungsgegenstandes A. III. 11.: „Prozessabsprachen<br />

in den FlowTex-Verfahren“<br />

1. Zulässigkeit <strong>von</strong> Absprachen im Strafprozess<br />

Verständigungen im Strafprozess sind – trotz gr<strong>und</strong>sätzlich vergleichsfeindlicher<br />

Ausgestaltung der StPO (vgl. Seuer, JZ 88, 683 ff., 684; BGHSt. 43, 195 ff., 203)<br />

– besonders in Wirtschaftsstrafverfahren nichts Außergewöhnliches. Zu unterscheiden<br />

sind Absprachen im Ermittlungsverfahren <strong>und</strong> solche im Hauptverfahren.<br />

Während Absprachen im Ermittlungsverfahren regelmäßig keine Bindungswirkung<br />

entfalten können, insbesondere ist eine verbindliche Festlegung der Strafe<br />

durch eine vor der Hauptverhandlung getroffene Vereinbarung unzulässig,<br />

kann die Absprache im Hauptverfahren unter bestimmten Voraussetzungen bindende<br />

Wirkung entfalten (vgl. zum Ganzen KK-Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., 2003,<br />

Einl. Rn. 29a ff. m.w.N.).<br />

Aus dem Gr<strong>und</strong>satz des fairen Verfahrens wird abgeleitet, dass ein Gericht an<br />

eine Verständigung dann geb<strong>und</strong>en ist, wenn folgende <strong>von</strong> der Rspr. entwickelten<br />

Verfahrensanforderungen eingehalten wurden: 1. Absprache gem. § 169 GVG in öffentlicher<br />

Hauptverhandlung unter Mitwirkung <strong>von</strong> allen Verfahrensbeteiligten <strong>und</strong><br />

nur bezogen auf die abzuurteilende Tat, 2. keine Absprache über den Schuldspruch,<br />

dessen Gr<strong>und</strong>lage nur der nach Überzeugung des Gerichts tatsächlich gegebene<br />

Sachverhalt sein darf, 3. keine Zusage einer bestimmten Strafe vor Urteilsberatung,<br />

allenfalls Angabe einer Strafobergrenze, 4. Beachtung der allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte,<br />

5. Unzulässigkeit der Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts<br />

vor der Urteilsverkündung, 6. Offenlegung der Verständigung gegenüber allen<br />

Mitangeklagten, 7. Festhalten der Absprache als wesentlichen Verfahrensvorgang<br />

im Protokoll (gr<strong>und</strong>legend BGHSt. 43, 195 ff.; vgl. ferner BGH NJW 90,<br />

3030 ff, 3031; BGHSt. 45, 227 ff.; BGH StV 00, 539 f.; BGH NStZ 02, 219).<br />

Besonders auf die Überprüfbarkeit <strong>von</strong> Absprachen legt der BGH wert (vgl.<br />

BGHSt. 43, 195 ff., 206): „Wesentlich ist (...), dass die Absprachen über Verfahrensinhalt<br />

<strong>und</strong> –ergebnis nicht unter dem Deckmantel der Heimlichkeit <strong>und</strong> Unkontrollierbarkeit<br />

stattfinden; sie dürfen nicht gleichsam als eigenständiges, informelles<br />

Verfahren neben der eigentlichen Hauptverhandlung geführt werden, ohne<br />

in letztere Eingang zu finden. Absprachen müssen daher offen gelegt werden, ihr<br />

Inhalt muss für alle Beteiligten <strong>und</strong> auch für das Rechtsmittelgericht überprüfbar<br />

sein.“ Sogar zivilrechtliche Auswirkungen können sich aus Verständigungen ergeben.<br />

Nach Auffassung des OLG Nürnberg soll bei schuldhaften Fehlern des<br />

Strafverteidigers bei den Verhandlungen um eine Absprache, die eine günstigere<br />

Verständigung vereitelten, eine Schadensersatzpflicht entstehen können (vgl.<br />

OLG Nürnberg StV 97, 481 ff.).<br />

Diese mittlerweile gefestigte Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Verständigung<br />

im Strafprozess verdeutlicht, dass die Rechtswirksamkeit <strong>von</strong> Absprachen<br />

bestimmten justiziablen Voraussetzungen unterliegt, also bei einer sinnvollen verbindlichen<br />

Verständigung im Strafprozess gerade nicht – wie hier – Zweifel über<br />

Vorhandensein <strong>und</strong> Inhalt aufkommen dürfen. Unter Haftungsgesichtspunkten<br />

werden gerade die Verteidiger auf die Einhaltung der Verfahrensvoraussetzungen<br />

achten.<br />

2. „Stuttgarter Vereinbarung“<br />

a) Äußerungen <strong>von</strong> RA Beust <strong>und</strong> Angelika Neumann<br />

Das mögliche Vorhandensein einer sog. Stuttgarter Vereinbarung, über deren Inhalt<br />

bis heute nichts bekannt ist, wurde <strong>von</strong> RA Beust, Verteidiger <strong>von</strong> Angelika<br />

Neumann, öffentlich bekannt gemacht, indem dieser seine dazu während der<br />

Hauptverhandlung in der Zeit zwischen dem 7. <strong>und</strong> 21. November 2001 gewonnenen<br />

Erkenntnisse an die Presse weitergab. Diese sind auch in einer Aktennotiz<br />

des RA Beust wie folgt festgehalten: „Im Rahmen des ‚Flowtex-Verfahrens‘ wurde<br />

ich (...) Zeuge eines Kontakts zwischen Frau Neumann <strong>und</strong> Herrn Schmider.<br />

[...] Des Weiteren sagte Herr Schmider eindringlich zu Frau Neumann, sie solle<br />

bei ihrer bevorstehenden Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft nichts über<br />

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