09.12.2012 Aufrufe

Landtag von Baden-Württemberg Bericht und Beschlussempfehlung

Landtag von Baden-Württemberg Bericht und Beschlussempfehlung

Landtag von Baden-Württemberg Bericht und Beschlussempfehlung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Landtag</strong> <strong>von</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> Drucksache 13 / 4850<br />

772<br />

bei widersprüchlichem Aussageverhalten gerade nicht beeinträchtigt sein soll,<br />

warum man ihnen also im Übrigen dennoch glauben will (derart BGHSt 44,<br />

153 ff., 159; BGH StV 02, 470). Er sieht nämlich die Glaubwürdigkeit „in schwerwiegender<br />

Weise“ insbesondere dann in Frage gestellt, wenn die Aussage des Belastungszeugen<br />

„hinsichtlich einzelner Taten <strong>und</strong> Tatmodalitäten“ widerlegt ist<br />

(vgl. BGHSt 44, 153 ff., 159; ähnlich im Anschluss daran BGHSt 44, 256 ff.).<br />

Daneben gab es hier weitere Umstände, die ebenfalls Zweifel an der Glaubwürdigkeit<br />

<strong>von</strong> Schenk <strong>und</strong> Schöntag aufkommen lassen mussten: 1. Eine besondere Motivlage<br />

erhoffter Strafmilderung (vgl. zum Beweiswert BGH, StV 02, 470, 471).<br />

2. Ein außergewöhnlich später Zeitpunkt der erstmals belastenden Angaben durch<br />

den Zeugen Schenk (siehe zur Notwendigkeit, besonders auf die Entstehungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsgeschichte einer maßgeblichen Belastungsaussage zu achten, BGH,<br />

StV 02, 471 ff., 472). 3. Ein großer zeitlicher Abstand zwischen den ersten Vernehmungen<br />

<strong>von</strong> Schenk <strong>und</strong> Schöntag. 4. Widersprüchlichkeiten in den Angaben<br />

<strong>von</strong> Schenk <strong>und</strong> Schöntag (so auch KHK Petzold <strong>und</strong> OStA Armbrust in deren<br />

Vernehmungen vor dem UA, vgl. APr. 10. UA-Sitzung S. 80, 184; ebenso auch<br />

OStA Hauer APr. 13. UA-Sitzung S. 97 ff.). 5. Teilweise Aktenkenntnis.<br />

Angesichts dieser Beweissituation ließ sich die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht<br />

mehr positiv begründen. Den vom BGH aufgestellten strengen Anforderungen an<br />

die Überzeugungsbildung eines Tatrichters für die Schuld des Täters in Fällen<br />

„Aussage gegen Aussage“ (vgl. BGH StV 02, 470 f., 471), konnte jedenfalls vorliegend<br />

nicht genügt werden. Eine für eine Anklage erforderliche Verurteilungswahrscheinlichkeit<br />

konnte demnach auf die Angaben <strong>von</strong> Gerhard Schenk <strong>und</strong><br />

Karl Schöntag nicht gestützt werden.<br />

Auch die weiteren im Untersuchungsausschuss <strong>von</strong> der Zeugin Backenstos aufgeführten<br />

Indizien für eine Beteiligung des Manfred Schmider an dem Raub, wie<br />

eine zielgerichtete Durchsuchung des Anwesens der Fam. Schmider durch einen<br />

Täter oder unterbliebenes Verbinden der Augen des Manfred Schmider trotz Kennen<br />

des Täters Karl Schöntag, ändern an dieser Einschätzung nichts (vgl. die Aussage<br />

Backenstos, APr. 10. UA-Sitzung S. 47 ff., 49 ff. oder die Vorhaltungen des<br />

Abg. Maurer in der 13. UA-Sitzung, APr. S. 11 f.). Diese Indizien können nicht<br />

eine Tatbeteiligung des Manfred Schmider belegen: Nach den Aussagen der Täter<br />

Schenk <strong>und</strong> Schöntag waren diese bei der Tatausführung maskiert, sodass eine<br />

Identifizierung durch Manfred Schmider auch ohne verb<strong>und</strong>ene Augen ausgeschlossen<br />

war (vgl. Aussage StA’in Scheck Apr. 13. UA-Sitzung S. 17). Des Weiteren<br />

können Schenk <strong>und</strong> Schöntag einen Tipp mit ausführlicher Schilderung des<br />

Tatortes erhalten haben, was angesichts der Täterpersönlichkeiten <strong>von</strong> Gerhard<br />

Schenk (= mehrfach vorbestrafter Raubtäter, der in einschlägigen Kreisen verkehrte<br />

<strong>und</strong> über Einzelheiten eines Raubüberfalls bei Fam. Schmider aus dem<br />

Jahre 1977 Bescheid wusste) <strong>und</strong> Karl Schöntag (= in Karlsruhe alteingesessener<br />

Privatdetektiv) sogar nahe liegt. Vor allem ist bei der Bewertung der Aussage der<br />

Zeugin Backenstos aber zu berücksichtigen, dass sie selbst bereits zu Beginn des<br />

Tatgeschehens verb<strong>und</strong>ene Augen hatte, also das zielgerichtete Vorgehen der Täter<br />

nicht beobachten konnte. Sie stand darüber hinaus unter Schock, was durch<br />

das <strong>von</strong> ihr angegebene pelzige, taube Gefühl in den Beinen zum Tatzeitpunkt belegt<br />

wird (vgl. die Vernehmung v. 12. Mai 1996 in LO 21 Js 16820/95 Bd. 1<br />

Bl. 135 ff.; eine medizinische Untersuchung konnte kein toxikologisches Ergebnis<br />

erbringen). Des Weiteren war das Aussageverhalten der Zeugin Backenstos<br />

während des gesamten Ermittlungsverfahrens nicht stringent (vgl. insoweit ihre<br />

Vernehmungen vom 22. Mai 1986, 13. April 1989, 19. Oktober 1995 in LO 21 Js<br />

16820/95 Bd. 1 Bl. 195 ff., Bd. 1 Bl. 209, Bd. 5 Bl. 15 ff., Bd. 8 Bl. 79 ff.). Dies<br />

alles spricht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin Backenstos <strong>und</strong> lässt sie als<br />

(weitere) Belastungszeugin zur Überführung des Manfred Schmider ungeeignet<br />

erscheinen. Mithin war vorliegend die Beweissituation dadurch gekennzeichnet,<br />

dass den belastenden abgestimmten <strong>und</strong> vom Aussageverhalten nicht glaubhaften<br />

Angaben des Gerhard Schenk <strong>und</strong> Karl Schöntag die Angaben des Beschuldigten<br />

Manfred Schmider gegenüberstanden. Objektive, eine Verurteilungswahrscheinlichkeit<br />

stützende objektive Beweismittel gab es nicht.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!