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Die Welt als Wille und Vorstellung

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64234 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 1159<br />

beruht. <strong>Die</strong> Wahrnehmungen des Gesichts hingegen<br />

sind zunächst <strong>und</strong> vorwaltend im Raume; sek<strong>und</strong>är,<br />

mittelst ihrer Dauer, aber auch in der Zeit.<br />

Das Gesicht ist der Sinn des Verstandes, welcher<br />

anschaut, das Gehör der Sinn der Vernunft, welche<br />

denkt <strong>und</strong> vernimmt. Worte werden durch sichtbare<br />

Zeichen nur unvollkommen vertreten: daher zweifle<br />

ich, daß ein Taubstummer, der lesen kann, aber vom<br />

Laute der Worte keine <strong>Vorstellung</strong> hat, in seinem<br />

Denken mit den bloß sichtbaren Begriffszeichen so<br />

behende operirt, wie wir mit den wirklichen, d.h. hörbaren<br />

Worten. Wenn er nicht lesen kann, ist er bekanntlich<br />

fast dem unvernünftigen Thiere gleich; während<br />

der Blindgeborene, von Anfang an, ein ganz vernünftiges<br />

Wesen ist.<br />

Das Gesicht ist ein aktiver, das Gehör ein passiver<br />

Sinn. Daher wirken Töne störend <strong>und</strong> feindlich auf<br />

unsern Geist ein, <strong>und</strong> zwar um so mehr, je thätiger<br />

<strong>und</strong> entwickelter dieser ist: sie zerreißen alle Gedanken,<br />

zerrütten momentan die Denkkraft. Hingegen<br />

giebt es keine analoge Störung durch das Auge, keine<br />

unmittelbare Einwirkung des Gesehenen, <strong>als</strong> solchen,<br />

auf die denkende Thätigkeit (denn natürlich ist hier<br />

nicht die Rede von dem Einfluß der erblickten Gegenstände<br />

auf den <strong>Wille</strong>n); sondern die bunteste Mannigfaltigkeit<br />

von Dingen, vor unsern Augen, läßt ein<br />

ganz ungehindertes, ruhiges Denken zu. Demzufolge<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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