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Die Welt als Wille und Vorstellung

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63221 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 146<br />

le, oder den rechten Zeitpunkt, aus dem gleichen Abstand<br />

von beiden f<strong>als</strong>chen Extremen zu finden: der<br />

Naturmensch trifft sie unmittelbar, ohne auf die Abwege<br />

zu reflektiren. Eben so hilft es mir nicht, wenn<br />

ich den Winkel, in welchem ich das Rasiermesser anzusetzen<br />

habe, nach Graden <strong>und</strong> Minuten in abstracto<br />

anzugeben weiß, wenn ich ihn nicht intuitiv kenne,<br />

d.h. im Griff habe. Auf gleiche Weise störend ist ferner<br />

die Anwendung der Vernunft bei dem Verständniß<br />

der Physiognomie: auch dieses muß unmittelbar durch<br />

den Verstand geschehn: der Ausdruck, die Bedeutung<br />

der Züge läßt sich nur fühlen, sagt man, d.h. eben<br />

geht nicht in die abstrakten Begriffe ein. Jeder<br />

Mensch hat seine unmittelbare intuitive Physiognomik<br />

<strong>und</strong> Pathognomik: doch erkennt Einer deutlicher,<br />

<strong>als</strong> der Andere, jene signatura rerum. Aber eine Physiognomik<br />

in abstracto zum Lehren <strong>und</strong> Lernen ist<br />

nicht zu Stande zu bringen; weil die Nuancen hier so<br />

fein sind, daß der Begriff nicht zu ihnen herab kann;<br />

daher das abstrakte Wissen sich zu ihnen verhält, wie<br />

ein musivisches Bild zu einem van der Werft oder<br />

Denner: wie, so fein auch die Musaik ist, die Gränzen<br />

der Steine doch stets bleiben <strong>und</strong> daher kein stetiger<br />

Uebergang einer Tinte in die andere möglich ist; so<br />

sind auch die Begriffe, mit ihrer Starrheit <strong>und</strong> scharfen<br />

Begränzung; so fein man sie auch durch nähere<br />

Bestimmung spalten möchte, stets unfähig, die feinen<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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