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Die Welt als Wille und Vorstellung

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64936 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 1861<br />

keit hat, ist die Kindheit die Zeit der Unschuld <strong>und</strong><br />

des Glückes, das Paradies des Lebens, das verlorene<br />

Eden, auf welches wir, unsern ganzen übrigen Lebensweg<br />

hindurch, sehnsüchtig zurückblicken. <strong>Die</strong><br />

Basis jenes Glückes aber ist, daß in der Kindheit<br />

unser ganzes Daseyn viel mehr im Erkennen, <strong>als</strong> im<br />

Wollen liegt; welcher Zustand zudem noch von außen<br />

durch die Neuheit aller Gegenstände unterstützt wird.<br />

Daher liegt die <strong>Welt</strong>, im Morgenglanze des Lebens,<br />

so frisch, so zauberisch schimmernd, so anziehend<br />

vor uns. <strong>Die</strong> kleinen Begierden, schwankenden Neigungen<br />

<strong>und</strong> geringfügigen Sorgen der Kindheit sind<br />

gegen jenes Vorwalten der erkennenden Thätigkeit<br />

nur ein schwaches Gegengewicht. Der unschuldige<br />

<strong>und</strong> klare Blick der Kinder, an dem wir uns erquikken,<br />

<strong>und</strong> der bisweilen, in einzelnen, den erhabenen,<br />

kontemplativen Ausdruck, mit welchem Raphael<br />

seine Engelsköpfe verherrlicht hat, erreicht, ist aus<br />

dem Gesagten erklärlich. Demnach entwickeln die<br />

Geisteskräfte sich viel früher, <strong>als</strong> die Bedürfnisse,<br />

welchen zu dienen sie bestimmt sind: <strong>und</strong> hierin verfährt<br />

die Natur, wie überall, sehr zweckmäßig. Denn<br />

in dieser Zeit der vorwaltenden Intelligenz sammelt<br />

der Mensch einen großen Vorrath von Erkenntnissen,<br />

für künftige, ihm zur Zeit noch fremde Bedürfnisse.<br />

Daher ist sein Intellekt jetzt unablässig thätig, faßt<br />

begierig alle Erscheinungen auf, brütet darüber <strong>und</strong><br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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