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Die Welt als Wille und Vorstellung

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63875 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 800<br />

sehr böse waren, sehn wir bisweilen durch die tiefsten<br />

Schmerzen bis zu diesem Grade geläutert: sie sind<br />

Andere geworden <strong>und</strong> völlig umgewandelt. <strong>Die</strong> früheren<br />

Missethaten ängstigen daher auch ihr Gewissen<br />

jetzt nicht mehr; doch büßen sie solche gern mit dem<br />

Tode, <strong>und</strong> sehn willig die Erscheinung Jenes <strong>Wille</strong>ns<br />

enden, der ihnen jetzt fremd <strong>und</strong> zum Abscheu ist.<br />

Von dieser durch großes Unglück <strong>und</strong> die Verzweiflung<br />

an aller Rettung herbeigeführten Verneinung des<br />

<strong>Wille</strong>ns hat uns eine deutliche <strong>und</strong> anschauliche Darstellung,<br />

wie mir sonst keine in der Poesie bekannt<br />

ist, der große Goethe, in seinem unsterblichen Meisterwerke,<br />

dem »Faust«, gegeben, an der Leidensgeschichte<br />

des Gretchens. <strong>Die</strong>se ist ein vollkommenes<br />

Musterbild des zweiten Weges, der zur Verneinung<br />

des <strong>Wille</strong>ns führt, nicht, wie der erste, durch die bloße<br />

Erkenntniß des Leidens einer ganzen <strong>Welt</strong>, das man<br />

sich freiwillig aneignet; sondern durch den selbstempf<strong>und</strong>enen,<br />

eigenen, überschwänglichen Schmerz. Zwar<br />

führen sehr viele Trauerspiele ihren gewaltig wollenden<br />

Helden zuletzt auf diesen Punkt der gänzlichen<br />

Resignation, wo dann gewöhnlich der <strong>Wille</strong> zum<br />

Leben <strong>und</strong> seine Erscheinung zugleich endigen; aber<br />

keine mir bekannte Darstellung bringt das Wesentliche<br />

jener Umwandlung so deutlich <strong>und</strong> rein von allem<br />

Nebenwerk vor die Augen, wie die erwähnte im<br />

»Faust«.<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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