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Die Welt als Wille und Vorstellung

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63712 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 637<br />

sein vergangenes Leben, abgesehn von dessen etwanigen<br />

Folgen für die Gegenwart, wie auch von dem<br />

Zeugniß über seinen <strong>Wille</strong>n, das darin abgedrückt ist,<br />

schon völlig abgethan, gestorben <strong>und</strong> nichts mehr ist:<br />

daher auch es ihm vernünftigerweise gleichgültig seyn<br />

muß, ob der Inhalt jener Vergangenheit Quaalen oder<br />

Genüsse waren. <strong>Die</strong> Gegenwart aber wird beständig<br />

unter seinen Händen zur Vergangenheit: die Zukunft<br />

ist ganz ungewiß <strong>und</strong> immer kurz. So ist sein Daseyn,<br />

schon von der formellen Seite allein betrachtet, ein<br />

stetes Hinstürzen der Gegenwart in die todte Vergangenheit,<br />

ein stetes Sterben. Sehn wir es nun aber auch<br />

von der physischen Seite an; so ist offenbar, daß wie<br />

bekanntlich unser Gehn nur ein stets gehemmtes Fallen<br />

ist, das Leben unsers Leibes nur ein fortdauernd<br />

gehemmtes Sterben, ein immer aufgeschobener Tod<br />

ist: endlich ist eben so die Regsamkeit unsers Geistes<br />

eine fortdauernd zurückgeschobene Langeweile. Jeder<br />

Athemzug wehrt den beständig eindringenden Tod ab,<br />

mit welchem wir auf diese Weise in jeder Sek<strong>und</strong>e<br />

kämpfen, <strong>und</strong> dann wieder, in großem Zwischenräumen,<br />

durch jede Mahlzeit, jeden Schlaf, jede Erwärmung<br />

u.s.w. Zuletzt muß er siegen: denn ihm sind wir<br />

schon durch die Geburt anheimgefallen, <strong>und</strong> er spielt<br />

nur eine Weile mit seiner Beute, bevor er sie verschlingt.<br />

Wir setzen indessen unser Leben mit großem<br />

Antheil <strong>und</strong> vieler Sorgfalt fort, so lange <strong>als</strong> möglich,<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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